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vierten Stande das Zusammengehen mit dem protestantisch gesinnten Adel streng unter-
sagte, trat zwischen den Bürgern, die meist an der katholischen Kirche festhielten, und den
fremden Kaufleuten, Handwerkern uud Arbeitern, die zur protestantischen Lehre sich
bekannten, eine starke Spaltung ein, welche tief in die socialen Verhältnisse eingriff.
Zur Bekämpfung der protestantischen Lehre begann allerdings schon nntcr Ferdinand I.
in Wien die Gesellschaft Jesu ihre Thätigkeit. Der Einfluß der Iesniten auf weitere Kreise
war aber damals noch gering, weil deren Hauptaugenmerk vorläufig auf rein theologische
Angelegenheiten, auf das Schulwesen uud die Bekehrung der jungen Adeligen gerichtet
blieb, zu welchem Zwecke sie das in Verfall gerathene Karnieliterkloster am Hof zur
Errichtung einer lateinischen Schule und eines Convictcs für Söhne des niederöstcr-
reichischen Herren- nnd Nittcrstanoes erhielten. Erst unter den Kaisern Ferdinand II.
und Ferdinand III. begannen ihre Eingriffe auch in weltliche Angelegenheiten, und sie
betrieben nunmehr das Werk der Gegenreformation anf allen Gebieten des öffentlichen
Lebens. Seither wurde auch die Lage der Protestanten immer schwieriger. Sie verloren
im Burgfrieden der Stadt die Besitzfähigteit und mnßlen ihre Häufer verkaufen. Nur den
fremden protestantischen Kaufleuten und Handwerkern blieb, geschützt durch ihre Handels-
rechte, der Aufenthalt in der Stadt gestattet. Auf die Bürger felbst nbte die Regierung
den stärksten Gewifsensdrnck ans, indem jeder den Eid anf das katholische Glanbens-
bckrnntniß ablegen mußte. Zahlreiche Klöster nnd Bruderschaften traten mit der Aufgabe
ins Leben, theils anf dem Wege des Unterrichtes nnd der Erziehung, theils durch
Predigten auf die Wiederbelebung des katholischen Glaubens in den unteren Volksclassen
Hinzuwirten. Fast bei jeder Kirche bildeten sich Bruderschaften der Zechen und Innungen
znr Förderung des Teeleuheils ihrer Mitglieder.
Was aber Wien durch die Anstrengungen zur Wiederherstellung der Einheit des
Glanbens die größten Nachtheile brachte, war die dadnrch eingetretene Verkümmerung des
geistigen Lebens. Ticse zeigte sich zunächst bei der Universität. Schon die Grundgesetze
Kaisers Ferdinand I. hatte» ihr die freie Bewegung benommen, indem deren Bestimmungen
sich mehr die Förderung der Staatszwecke als jene der Wissenschaft uor Augen hielten.
Der Befuch der Hochschule war schon damals theils infolge der Zerwürfnisfc unter den
Lehrern, des Mangels an Disciplin unter den Schülern und des Wegbleibens der Söhne
des protestantischen Adels, theils infolge der Bemühungen der Iefniteu zur Hebung der an
ihren lateinischen Schnlen betriebenen philosophischen Studien schwach geworden. Nach
dem Erscheinen des Grundgesetzes Ferdinands II. vom Jahre 1623 wurde die Lage der
Hochschule noch ungünstiger. Sie kam vollständig in die Häude der Iefuilen, welche dem
Humanismus die einseitigste Richtung gaben und die Pflege der Naturwissenschaften,
deutsche Sprache und Literatur, sowie die vaterländische Geschichte vernachlässigten. Mit
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Volume 1
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Volume
- 1
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.13 x 22.72 cm
- Pages
- 348
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277