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Das XIX. Jahrhundert.
s ist bezeichnend für den Geist des Wienerthums, daß sich dasselbe der
Malerei stets wahluerwandter erwiesen hat als der Plastik, Ans den
Gang nnd Stil der Wiener Sculptur haben oft fremde Meister
bestimmenden Einfluß genommen, auch in unserer Zeit. Die Malerei
dagegen fand ihren Halt und ihr Gedeihen im Heimatboden selbst. Das
gemüthliche, das musikliebende Wien macht seine respectvolle Reverenz vor den Statuen
in Marmor und Erz, fnr die farbigen Gebilde der Meister der Malerei hat es hier stets
begeisterte Liebhaber und eifrige Sammler gegeben.
Vor Allem gilt das Gesagte von jener älteren Generation der Wiener Genre- und
Landschaftsmaler, welche in den Zwanziger-Jahren unseres Jahrhunderts, wie am Schluß
des vorigen Abschnitts angedeutet wurde, über Classicismus und Romantik den Sieg errang.
Eine volksthümlichere Kunst hat nirgends eristirt, niemals ein treuerer Spiegel der
Wiener Art und des niederöstcrreichifchen Wesens, als er in den Bildern eines Dauhauser
und Fendi, eines Ranftl, Daffinger, Gauermann, Waldmüller, Albert Schindler,
Eybl u. s. w. uns vor Augen steht. Wie das ganze damalige Leben, so hatte auch jene
Wiener Kunst einen kleinbürgerlichen Zuschnitt, ein durchaus locales Gepräge. In der
modernen Großstadt sind die Maler weltläufiger, ihr Stoffkreis ist umfassender geworden,
das patriotische Band zwischen Liebhaber und Künstler wurde gelockert, Vereinswesen und
Kunsthandel entwickelten sich, die Wiener Kunst wie das Wiener Kunstgewerbe stehen jetzt
mitten im Getriebe des internationalen Verkehrs, dem Wechsel der Geschmacksrichtungen
und Moden preisgegeben. Trotzdem wußte sich die Wiener Kunst einen starten eigenartigen
Zug zu bewahren, und es wird unsere Aufgabe sein, ihn besonders hervorzuheben.
Obwohl der Aufschwung der Wiener Genre- und Landschaftsmalelei im dritten
Decenuium unseres Jahrhunderts zur Bekämpstlug des akademischen Wesens führte, hat er
doch von der Wiener Akademie seinen Ausgaug genommen. Peter Kr äfft (1780 bis 1656),
der Soldateninaler ans der Zeit des Kaifcrs Franz, der Schüler Davids und Fügers,
war als Corrector an der Akademie der Lehrer Danhansers und Ranftls. Die Doppel-
natur seines Wesens gehört zweien Zeitaltern und Nationen an; sein Stil wurzelt im
französischen Klassicismus, seine Stoffwelt ist österreichisch; nach Davids und GcrardZ Art
das österreichische Kriegs- und Soldatenlelien der unmittelbaren Gegenwart im Gewände
der großen Kunst zu fchilderu: das war das Ideal, welches der Meister zu verwirklichen
unternahm. Die Wandgemälde aus deu Befreiungskriegen in der kaiserlichen Hofburg,
die Darstellungen der Schlachten von Afpern und Leipzig im Invalidenhause — von
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Volume 1
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Volume
- 1
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.13 x 22.72 cm
- Pages
- 348
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277