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größter Strenge übten sie die Bücherceusur und hielten alle wissenschaftlichen und
schöngeistigen Werke, welche protestantischen Ursprungs waren, von der Verbreitung
durch den Buchhandel fern. Nicht besser erging es dein Unterricht an den lateinischen und
deutschen Schulen nach dem Eintritt der Gegenreformation, Erstere waren einförmig und
geisttödtend, letztere derart in Verfall, daß es an Personen fehlte, welche den Unterricht
würdig betrieben. Häufig bemächtigten sich des Unterrichts an den deutschen Schnleu Leute,
welche als Nebenerwerb die Stellen von Boten, Küstern uud Vorfängern bei den Wall-
fahrten versahen oder sich als Wirthshansmusikanteu verdingten. Unter der vollständigen
Beherrschnng politischer nnd religiöser Gesichtspunkte wurde die Verbindung mit deni geistigen
Leben Deutschlands gelockert und wurden die Fortschritte der deutschen Nildung ferne
gehalten. Dazu kam uoch, daß durch den überwicgeudcu Einfluß der Spanier und Italiener
am kaiserlichen Hofe fremdländische Titten und Einrichtungen vorherrschend wurden.
Schwer litt nnter der Rückwirkung der Türkennoth uud der Reformation das ganze
bürgerliche Leben. Eine Folge der wichtigen militärischen Stellung Wiens war, daß die
innere Stadt in eine den fortificatorischen Grundsätzen der damaligen Zeit entsprechende
Festung umgestaltet wnrde. Dem Rufe des Kaisers folgend, leisteten sowohl die Erblande
als auch die übrigen Länder des deutschen Reiches, insbesondere dessen angesehenste Städte,
reichliche Beiträge zur Bestreitung der Baukosten, Vor allem hatte Wien selbst bedeutende
Auslagen auf sich zn nehmen. Zuerst wurden im Anschlüsse an die alten Stadtmauern
Bastionen mit breiten Wallgängen errichtet uud diese nach und nach durch Mauercourtinen
verbunden. Im XVII. Jahrhundert erhöhte die Regierung die Widerstandskraft durch die
Erbauuug von Außcnwcrken. Zwischen der Festung und den Vorstädten entstand ein breiter
unbebauter fortificatorischer Rayon, welcher mit den Fortschritten in der Tragweite der
Geschütze und in der Minirkuust wiederholt erweitert wurde. Dadurch wurde auch der
Abbruch zahlreicher Häuser nothwendig und die Verbindung mit den Vorstädten unter-
brochen. Anßcrdcm blieben letztere den Verheerungen der Feinde preisgegeben.
Immer schärfer überwachte die Regierung die Gemeindeverwaltung. Die Bewachung
der Stadt kam in die Hände der Ttadtguardia, eines militärisch orgamsirten Corps, neben
welchem die Bürgerwehr viel von ihrem Ausehen einbüßte. Die oberste Leitung der
Bewachung und Vertheidigung hatte nicht mehr der Bürgermeister, fondern der vom
Kaiser ernannte Festungscommandant. Die Soldaten der Stadtguardia, meist verheiratet,
dabei schlecht bezahlt, trieben in ihren auf den Basteien gelegenen Häuschen allerlei Unfug,
indem sie dort die verschiedensten Gewerbe ausübten, die steuerzahlenden Handwerker im
Erwerbe beeinträchtigten uud ihre Wohnungen zu Schlupfwinkeln für leichtsinnige Dirnen
hergaben. Ein Theil der Bürger wurde durch die Vermehrung der Häuser der Adeligen,
der Angehörigen des Hofstaates uud der Regierungsucamten, sowie duzch die Gründung
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Volume 1
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Volume
- 1
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.13 x 22.72 cm
- Pages
- 348
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277