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Ttndenten wieder hergestellt. Der Jubel über die großen politischen Errungenschaften blieb
aber nur für kurze Zeit von nachhaltiger Wirkung. Bald nach den Märztagen siegten die
Agitationen der radicalen Wortführer über die Anschauungen der gemäßigten Liberalen,
indem Erstere in der aufgeregten Menge das Mißtranen gegen den Bestand der Errungen-
schaften nährten, an das schwache Ministerium immer neue politische Forderungen stellten
und diesen durch Veranstaltung von Demonstrationen aller Art Ausdruck gaben. So wurde
das am 1. April verkündigte Prehgesetz auf der Aula öffentlich verbrannt, die April-
Verfassung wegen des Zweikammersystems und des Wahlmodus in Acht gethan, der innige
Anschluß Österreichs an Deutschland und die Anerkennung der Natioualgarde als politische
Körperschaft verlangt. Als am 15, Mai eine von bewaffneten Bürgern, Studenten und
Nationalgarden begleitete Deputation zur Überreichung einer Tturmpetition in der Hofburg
erschien und der Ansbrnch eines nenen Aufstandes besorgt wurde, verließ der Kaiser drei
Tage daranf Wien und schlug in Innsbruck sein Hoflager auf. Der hierauf gemachte
Verfuch, die Studentenlegion aufzulösen und die Aula zu schließen, führte zur Errichtung
von Barrikaden auf den Straßen gegen das anrückende Militär, Zur Verhütung von
blutigen Kämpfen nnd zur Wiederherstellung der Ordnung trat ein ans Mitgliedern des
Gemeindeausschusses, der Natioimlgarde und der Studcntenlegion zusammengesetzter
Sicherheitsausschnß ins Leben, welcher aber seinen Zweck nicht erfüllte, sondern durch sein
Bestreben, Einfluß auf alle Actionen der Negierung zu nehmen, die Seele der weiteren
Fortschritte der Bewegung wurde. Durch die Ernennung des Erzherzogs Johann zum
Stellvertreter des Kaisers, die Einsetzung eines neuen Ministeriums und die Einberufung
eines conftituirenden österreichifchen Reichstages follte die Aufregung beseitigt und das
Einlenken der freiheitlichen Bewegung in gesetzliche Bahnen angestrebt werden. In dieser
Hoffnung kehrte der Kaifer am 12. August wieder nach Wien zurück. Die fortdauernden
Agitationen der Radicalen führten aber zu immer nenen Excessen, Ende August kam es im
Prater wegen Herabsetzung des Taglohnes bei den öffentlichen Arbeiten zu Arbeiter-
krawallen, welche drei Tage dauerten und von blutigen Zusammenstößen mit der neu
errichteten Sicherheitswache begleitet waren. Infolge der Auflöfnng des Sicherheitsaus-
schusses wurde das Ministerium des Verrathes an der Volksfreiheit beschuldigt. Am
12. September kam es zu tuniultuarifchen Scenen vor dem Ministerium des Innern auf
dem Iudenplatze, weil diefes keine Garantien für werthlofe Actien eines Aushilfsvereines
znr Unterstützung kleiner Gewerbsleute übernehmen wollte. Durch eine große Volts-
demonstration sollte das angeblich freiheitsfeindliche Ministerium gestürzt werden.
Bevor es aber dazn kam, trat in Wien durch den Gang der ungarisch-kroatischen
Wirren am 6. October eine unheilvolle Katastrophe ein. Als nämlich das ungarische Heer
das kroatische gegen die österreichische Grenze drängte und der Kriegsminister mehrere
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Volume 1
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Volume
- 1
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.13 x 22.72 cm
- Pages
- 348
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277