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die noch erhaltene gothische Kapelle, Infolge der dnrch den Brand — 1327 — nothwendig
gewordenen Reparaturen dürfte der romanifche Ehorfchluß verschwunden nnd der Bau
eines gothischen Presbytcriums begonnen worden sein; um 1340 erfolgte über dem ersten
Quadrate des rechten Seitenschiffes der Bau des schönen achteckigen und in fünf Stock-
werken einmal verjüngt emporsteigenden Thurmes, den ursprünglich ein durchbrochener
Steinhelm bekrönte, der — 1594 infolge eines Erdbebens eingestürzt — dnrch den noch
heute bestehenden knpfergedeckten uadelartigcu Abschluß ersetzt wurde. 1416 bis 1420
wurden die eigentlichen Banten an der Kirche durch die Vollendung des gegenwärtigen
aus dem Achtecke coustruirten gothischen Chorschlusses zu Ende geführt, der jedoch seither
durch Abschlage» der Nippen seinen Stilcharakter einigermaßen eingebüßt hat. Die
Gesammtlänge der Kirche beträgt 65 Meter, die Breite des Mittclfchiffes 8 5 Meter,
dessen Höhe 17 40 Meter.
Das bedeutendste kirchliche Bauwerk Wiens ist der Dom zu St. Stefan, die
wichtigste Schöpfung der Wiener Bauhütte. Über seine bauliche Entwicklung bestehen bis
heute ziemlich dürftige schriftliche Nachrichten, dagegen hat die gelegentlich der jüngsten
systematischen Nestaurirmigen geführte sorgfältige uud verstäuduißvolle Untersuchung der
einzelnen Bautheile viele sichere Anhaltspnnkte zur Beantwortung dieser Frage geliefert.
Von der Kirche aus der ersten Zeit ihrer Gründung, die um 1147 geweiht wurde, hat sich
bis in unsere Tage nichts erhalten. Die ältesten Theile des heutigen Domes reichen bis in
den Beginn des XIII. Jahrhunderts zurück und charakteristreu sich als Schöpfungen der
letzten Zeit des herrschenden romanischen Stiles. Die dieser Zeit angehörenden Partien
find das sogenannte Riesenthor und die daran grenzeuden Theile der Fac.ade bis zur
Gesimslinie über den jetzt znr Aufnahme der Uhrzifferblätter verwendeten Rnndfenstern.
Folgerungen aus den in dem Gebäude erhaltenen ältesten Aauresten führen dahin, daß
der für uns älteste Bau von drcifchiffiger Anlage mit breitem und überhöhtem Mittelfchiffe
und wahrscheinlich absidial abgeschlossen war. Die erste nnd hochwichtige Veränderung
an dem Baue ging nach dem Brande im Jahre 1258 vor, und die dabei erfolgten argen
Beschädigungen desselben dürsten die Veranlassung zum ältesten Erweiterungsbau gegeben
haben. Diese Umgestaltung bestand zunächst darin, daß an die Stelle des dreifach absidialen
Abschlusses ein mächtiges ausspringendes Krcuzschiff mit großem nnd weit zurückreichendem
Mittelchor sammt polygouem Abschlüsse gesetzt wurde, und daß das Mittelschiff infolge
feiner bedeutenden Verlängerung auch eine verhältnißmäßige Erhöhung mit spitzbogigen
Kreuzgewölben erhielt, wobei dessen bisherige Eintheiluug in sieben Gewölbejoche unver-
ändert blieb. In diefe Zeit gehört auch der Aufbau der achteckigen, vier Stockwerke
zählenden Heidenthürme vom Gesimse über den erwähnten Zifferblättern an, ferner die
Umgestaltung des Riesenthores durch den Einbau des äußeren Spitzbogens.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Volume 1
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Volume
- 1
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.13 x 22.72 cm
- Pages
- 348
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277