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der hochinteressante, aus drei frcihängcndcu Gewölben kühn coustruirte Orgelchor eingebaut.
Zwischen Schiff und Laughaus ist zunächst der Südwand des ersteren der im ersten Viertel
des XIV. Jahrhunderts begonnene siebeneckige Thurm angebaut. Er ist in feinen oberen
Partien durch gegliederte Eckpilaster, durch kräftig profilirte Gesimse mit spitzbogigen
Friesen, durch reich decorirte Tpihbogeufcuster geschmückt und gehört mit seiner durch-
brochenen kuppelartigen Steintrone als oberstem Abschluß zu den eigenartigsten Thurm-
bauten der Gothit. Der Thurm fand erst im XVI. Jahrhundert seine Vollendung, wobei
Baumeister Benedict Kölbl (1534) wirkte. Er hat eine Höhe von circa 58 Meter. Die
Außenfeite der Kirche trägt deu Charakter eines einfachen gothifcheu Bauwerkes mit
kräftige« Strebepfeilern am Chor und Langhause; die fchmale Westseite hingegen zeichnet
sich durch reiche gothische Decoralion aus. In höchst eigenthümlicher Weise ist das
Hauptportal und ein einfacheres Portal an der Südseite angelegt. Über beiden wölbt sich
ein ans der Mauer hervorspringender Stcinbaldachin.
Die sogenannte Minoriteukirchc in der Stadt gehört deni gothischen Stile an. Die
Miuoriten, welche unter Herzog Leopold dem Glorreichen in Wien erschienen und denen
König Ottokar ein besonderer Gönner war, erhielten 1224 vom Herzog die Erlaubniß,
auf feinem Grunde ein Haus sammt Kapelle zu erbauen. Die Kirche entftaud erst mehr als
ein Jahrhundert nach dem Eintreffen des Ordens in Wien; Herzogin Bianca, Gemalin
Rudolfs III., und Isabella, Gattin des unglücklichen Friedrich des Schönen, regten
den Bau an, der zuerst in einer einschiffigen gothischen Anlage zur Ausführung kam, an
welche fich um 1339 der Bau der mit dieser nicht organifch verbundenen großen Kirche
anschloß. Derselbe dürfte kaum vor den ersten Jahren des XV. Jahrhunderts abgeschlossen
worden fein. Als die Minoriteu 1784 ihr Kloster verlassen mußteu, ging die Kirche in
das Eigenthum der italienischen Nation iu Wien über, hatte aber unter dem Architekten
Hohenberg eine harte Restaurirnngsvrobe durchzumachen, aus der sie ziemlich verunstaltet
hervorging. Sie bildet eine drcischiffige Halle ohne ausgesprochenes Presbyterium und
schließt im Mittelschiffe geradlinig ab, das linke Seitenschiff verlängert fich bis in eine
fünffeitig geschlossene Kapelle, die von dem Kirchcnraume seit Hohenberg durch eiue
Zwischenwand getrennt ist. Das rechte Seitenschiff mit einer corresuondirenden Decorations-
wand hatte ursprünglich ebenfalls einen geradlinigen Abschluß mit ciucr Pforte, die
in den sogenannten alten Chor oder die Ludwigskapelle führte, eineu einfchiffigen und
Polygon geschlossenen Raum, der, so ziemlich in der Axe der rechten Pfeilcrreihe
liegend, der älteste Theil der Kirche war, aber verschwunden ist. Der schlanke achteckige
Thurm baut sich in der Verlängerung des Mittelschiffes an dessen Allheuseite auf.
Das Portal an der sonst schmucklosen Fa^ade mnß als ein ganz besonderes Kunstwerk
bezeichnet werden. Der Minorit Nikolaus (1385) und der Franciscaner Hans (1389)
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Volume 1
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Volume
- 1
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.13 x 22.72 cm
- Pages
- 348
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277