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Die Bangeschichte Wiens im XVII. Jahrhundert wird indessen hauptsächlich durch
Kirchenbanten illustrirt. Als Mittel der Bekehrung und als Siegeszeichen der Neu-
befcstiguug der alten Glaubenseinheit entstanden die meisten Kirchen und Klöster in Wien
bald nach der Niederwerfung der reformatorischeu Bewegung. Diesem Umstände ist es zu
danken, daß der Stil jener Zeit im Kirchenbau Wiens eine so hervorragende Rolle spielt.
Wahrend die Kloftergebäude durchgehends von großer'Einfachheit sind und ohne
eigentlich architektonisches Gepräge, wenn auch nicht ohne jene Größe des Bausinnes,
welche den Traditionen der altehrwürdigen Religionsgenossenschaften entspricht, zeigen die
Kirchen in Anlage und Schmuck die Ausdrucksweise des italieuischen Barockstils.
Es sind zumeist einschiffige Gewölbcbauten mit Kapellen an den Seiten uon jener
wohlgefälligen und dem Heiligencultus bequemen Disposition, welche bereits seit der
Mitte des XVI. Jahrhunderts in Italien vorherrschend war und uon dort aus in der
ganzen katholischen Welt sich verbreitete. Diese Disposition zielt vor Allein auf einen
freien einheitlichen Nanm von möglichster Breite, den meist ein Tonnengewölbe überspannt.
Die Zwischenmauern der Scitenkapellen dienen dem Gewölbe als feste Stützen. Das
Tonnengewölbe erhält Stichkavpcn zur Erzielung von Fenstern über den Kapellen;
dort. wo diese Fenster die einzige Lichtquelle bilden, ist die Wirkung uon großer Schönheit.
Die Kavellenoffnungen, drei bis vier an jeder Seite, sind durch Pilastcr getrennt, auf
dem uon diesen getragenen Gebälke sitzt das Gewölbe auf.
Im Äußeren erhalten diese Kirchen im Gegensatze zu den gleichzeitigen Profan-
bauteu ihr architektonisches Gepräge ausschließlich durch die Auwcudung von Pilastern
mit dem zugehörigen Gebälke, selten in einer, meist iu zwei, auch drei Ordnnngen über-
einander; auch die Thürme, wenn sie überhaupt in die Composition der Kirchen
aufgenommen werden, banen sich in mehreren Pilastcrordnungen übereinander auf. Unter
den Kirchen Wiens zeigt als eine der ältesten die Schottentirche diesen Tyuns, sie erhielt
1590 ihre jetzige Gestalt. Etwas jünger ist die Kirche zu St. Anna, welche sammt Kloster
uon Kaiser Ferdinand II. der Gesellschaft Jesu zugewiesen wurde. Die Aunakirche ist klein,
aber in Marmor decorirt und zeigt die beschriebene Disposition sehr rein.
Das Hauplmonumeut der Gattung ist aber die im Jahre 1628 von Kaiser
Ferdinand II. gestiftete Uniucrsitäts- und Iefuitenkirche, welche sowohl durch ihre Größe
als auch durch die Kostbarkeit des Materials hervorragt. Auch hier sind vier Kapellen
an jeder Seite des Schiffes angelegt. Die reiche Deeoratiuu stammt indessen erst aus dem
Jahre 17<X> uud wurde vou dem Italiener Pater Andrea del Pozzo ausgeführt.
Die Decke des Schiffes ist keiu fortlaufendes Tonnengewölbe; Gurtbogen, den Kapellen-
Pfeilern entsprechend, theilen das Gewölbe. Pater Pozzo vereinigte die vorderen zwei
Gewölbjoche und schuf hier eine Scheinarchitektur, welche dem Eintretenden das Bild
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Volume 1
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Volume
- 1
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.13 x 22.72 cm
- Pages
- 348
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277