Page - 118 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Volume 1
Image of the Page - 118 -
Text of the Page - 118 -
118
Fässern sprudelt unaufhörlich und unversiegbar in die ungestüm emporgehalteueu Gläser
das braune Lcbenselixir, der süffige mousfirendc Saft; und inmitte» des Gedränges, des
Gestrampfes und Gepolters, des Schreiens, Scheltens und Klopfens die, gleich den
einförmigen und eintönigen Mahnungen der Mnezzims anzuhörenden monotonen Ausrufe
der betreffenden Colporteure: „Käso! Käfo!" „Salamini, da bin i" ^ weiter: „Brod,
Schani, Brod!" Ein betäubendes Potpourri, ein verwirrender Anblick, aber — er animirt
den Befchauer znm Niedersetzen: „Wo Alles liebt, u. s. w."
„Jeder Fremde geht zum Sperl!" hieß es einst; der Lockruf ist verstummt, wie manch
Anderes verschwunden, nur Schonbrunn und Prater bewahren noch ungeschwächt und
ungetrübt ihren hundertjährigen Ruhm; beide sind in ihrer ArtUnica und der Wiener ist
auch stolz anf sie. —
Das „Wiener Volksleben!" Welch reicher Stoff und wer ihn erschöpfend zu
bearbeiten vermöchte! Wir haben nun eine weite Umschau gehalten und den eingeborenen
Sohn der guten Faviana in seinem Thun und Lassen, in seinen Trieben nnd Neigungen
nach den verschiedensten Richtungen beobachtet, allein was wäre noch Alles zu besprechen!
Im raschen Fluge nur wollen wir uoch einige beachteuswerthe Eigenthümlichkeiten des
Wiener Volksthumes berühren.
Da ist vor Allem Musik und Tanz! Der Wiener liebt die Musik und die Wienerin
tanzt gerne. Es gab eine Zeit, und es ist höchstens ein halbes Sä'culum dazwischen, wo
in den besseren Bürgershausern Wiens systematisch und regelmäßig „classische Musik"
gemacht wurde. Auf allen Gründen sprach man von diesen und jenen Quortcttavendeu,
in allen Vorstädten kannte man die dilettirenden Privatvirtuosen, Das ist nun auch mittler-
weile einigermaßen anders geworden, das Familienleben wurde, wie wir gesehen, etwas
gelockert, man bringt seine freien Stunden meist anderwärts zu und läßt es sich genügen,
gute Musik zu hören. Zudem ist das Concert- und das öffentliche Mufikweseu in Wien
fo außerordentlich ausgebildet worden, daß schon ei» Leser der Plaeale und Inserate
ausrufen kann: „Fürwahr, in Wien hängt der Himmel nicht nur voller Geigen, es ist auch
sattsani Blech dabei!" So leidet denn der Musikfreund in der That keinen Mangel an
feinen Lieblingsgcnüssen und ist sogar für alle Stände uorgesorgt, denn wem es die Götter
versagt, in den Lonservatoriumssälen oder als Habitus bei Böscndorfcr und Ehrbar zu
glänzen oder die sonntägigen Nachmittags-Reunionen zn freauentiren, der kann dnrch die
ausgiebigste Anzahl von „Werkeln" mit den neuesten Piecen bedient werden, außerdem
daß es ihm gestattet ist, im Cortege der „Burgmusik" als Gratisgönner zu paradiren.
Man hat nnn zwar gegen die grassirende „Wertelpest" geeifert, aber es fanden sich auch
wieder schützende Partisane derselben und erhoben sich mitleidige Stimmen, welche zu
Gunsten dieser ..Musik des Armen" die schönsten Worte spendeten. So sei denn auch das
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Volume 1
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Volume
- 1
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.13 x 22.72 cm
- Pages
- 348
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277