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auf die Wiener gcwirtti wie sie geweint und gelacht, wie sie dabeigestanden und dabei-
gesessen, wie das ganze Bild des Schmelzl'schen Theaters sich ausgenommen, darüber ist
uns nicht ein armes Wort erhalten.
Glücklicherm eise hat uns Wolfgang Schmelz! in seinem „Lobspruch der Stadt Wien"
eine Schilderung der Kaiserstadt geliefert, die an psychologischer Wahrheit, an Reichthum
des Details und an Farbenfrische nichts zu wünschen übrig laßt. Die ganze Seele des
Dichters lebt in diesen kurzen Reimpaaren, seine ganze Dankbarkeit für dieses — wie er
es stets nennt — „edle" Wien. Die Liebe macht den Poeten, der hier den größten Dichter
des Jahrhunderts, den Hans Sachs, durch klare Anschaulichkeit, gemüthlich schalkhaftes
Wesen und bequeme Wortfügung nicht selten erreicht. Er habe diese Beschreibung von
Wien gemacht, sagt Schmclzl, damit die Leute doch sehen und verstehen mögen, „iu was
Rosengarten, Luft und Paradeis" nns der allmächtige Gott uor anderen Nationen und
Ländern gesetzt habe. Schmelz! kleidet das Gedicht in der Weife ein, daß er als Fremder in
Wien ankommt, neugierig durch die Straßen wandert und von Begegnenden über die vielen
Dinge, die ihm anfsloßen, entgegenkommend belehrt wird. Ür sieht mit Vergnügen die
geraden reinlichen Straßen, die von Stein gebanten Häuser mit geräumigen Höfen, außen
und innen bemalt, von Vogelgesang belebt, als ginge man im grünen Wald; mit Staunen
sieht er auf den Märkten der Stadt die aufgehäuften Lebensmittel, die in ihrer Fülle nnd
Mannigfaltigkeit auf behagliches Wohlleben hinwcifcn; er schant, von Mitgaffern umringt,
am Stefansthnrm hinauf, auf welchem ein ungehmrer vergoldeter Kuovf wie Feuer brennt.
Die Gelehrten Wiens versammeln sich, um einen Ductor zu machen, die Behörden ziehen
an ihm vorüber. Immer wieder Märkte voll Lebensmilteln, großartige Vorräthe von Wein,
dann öffentliche Veranstaltungen für die Gesundheit der Bewohner: Pfannen, auf welchen
Wachholderholz und Weihrauch brennen, Krankenhäuser und Wolilthätigkeitsanstalten.
Auch der sinnreichen Vorrichtungen gegen Feuer- und Tnrtcngcfahr gedenkt Schmelzt in
ausführlicher Weife. Es sei aber auch der Mühe werth, sich gegen den Türken für Wien
zu schlagen, denn, wären wir aus diesem Nest geworfen und des Getreidekastens vcrlnstig
— „wie würde nns nach der Sunnen frieren!" Auch das Weib, die Seele Wiens, tritt
mit ihrer sanften Macht in der Schilderung Schmelzls hervor. Uuter dem Rothenthnrm-
thor hängt eine Speckseite, die sich derjenige hcrablangen kann, der sein Weib nicht fürchtet
und Herr im Haus ist. Sie hängt dort schon etliche hundert Jahre nnd anch dem guten
Schmelz! ist sie „zu schwer." Sein Herz geht ihm aber völlig auf, da er das Schottenstift,
die Stätte feines künftigen Glückes, betritt. Ihm gefällt der betriebsame Geist des Klosters,
die schöne Orgel, der Garten, der tiefe Keller. Sie haben auch frisch Wasser, gesunde
Luft „und mächtig große Faß mit Wein." Da wäre gut fein, dachte er fich, und nahm
den Schulmeisterstand an. „Der Schmelzt," fagt er, indem er nach Wiener Weise das
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Volume 1
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Volume
- 1
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.13 x 22.72 cm
- Pages
- 348
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277