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Peter Fendi (1796 bis 1842) als ein zwar kleineres, aber frenndliches Gestirn. Das
naive Element des Familienlebens, die Kinderwelt mit ihren Spielen, die er besonders
in duftigen Aquarellen reizend zu schildern wußte, bilden seine eigentliche Sphäre.
Die Sammlung des Erzherzogs Karl Lndwig, welcher unser Beispiel entlehnt ist, enthalt
eine Reihe der köstlichsten dieser Blätter, darunter das bekannte Gruppenbild der Familien-
mitglieder des Allerhöchsten Kaiserhauses. — In demselben Besitz sowie in dem des Fürsten
Metternich und anderer Wiener Kunstfreunde befinden fich auch die bewnndernswerthen
Miniaturporträts von der Hand des geist- und humorvollen Moriz Michael Taffinger
(1790 bis 1849), der außerdem als Blumenmaler (Sammlung der Wiener Akademie
der bildenden Künste) einen sehr hohen Rang einnimmt. Die Virtuosität der Technik,
der edle Geschmack, der zarte Farbensinn, welchen diese Arbeiten bekunden, sind Zeugnisse
einer von den ersten Gefellschaftsclassen warm gehegten, im guten Sinne des Wortes
salonfähig gewordenen Kunst. — Ein derberer Naturalismus, freilich auch ein weniger
feiner Geschmack spricht aus den Bildern Ferdinand Waldmnllers (1793 bis 1865),
des niederösterreichischen Baucrnmalers Mr sxcsllEnee. Von seltener Vielseitigkeit, weit
gereist und von tüchtiger Bildung, namentlich auch ein geschickter Lopist alter Gemälde,
vereinigte Waldmüller in sich die hervorragendsten Eigenschaften eines Führers der
Schule. Wenn er trotzdem nur zu vorwiegend localer Bedeutung gelangt ist, so findet dies,
abgesehen von der in fich selbst zufriedenen Abgeschlossenheit des damaligen Wiener
Kunstlebens, vorzugsweise wohl in dem ungeschminkten Realismus von Waldmilllers
Darstellungswelse seine Begründung. Er verschmäht den Parfüm, den melodramatischen
Anklang der Bilder Tanhausers, er will uns keine Dorfgeschichten erzählen wie Kuaus
und Vautier, er versucht auch keine Steigerung des Volksthums ins Heroische und
Historische gleich einem Defregger: seine Bauern bleiben Bauern schlicht und recht, die
Frauen und Mädchen bei der Arbeit, die Kinder beim Spiel oder während der lauten
Fröhlichkeit ihrer Feste, wahr und naturgetreu in Art, Sitte und Tracht; weder in der
Stimmung noch in der malerischen Haltung will sein Bild etwas Anderes sein als ein
Ausschnitt aus der Natur, ein Spiegelbild des Lebens. Die Formen und Farben mögen
daher oft hart einander stoßen in seinen Gemälden wie in der Wirtlichkeit, seine Sonnen-
klarheit leuchtet oft allzu grell, seine Charakteristik streift bisweilen an die Caricatur; aber
niemals hat er die Natur der Kunst zu Liebe durch eine Lüge vou Schönheit entstellt und seine
Schilderungen uon Land und Leuten, seine „Bauernhochzeit", seine „Christbescheerung",
seine „Dorfschulkiuder", seine „Bauernmädchcn vor dem Muttergottesbilde", sein „Altes
Mütterchen in» Lehnstnhl", sein „Gucktastcnmann" und viele andere Schöpfungen werden
fortleben als wahre Denkmäler österreichischer Voltsnatur und Sitte. — Die gleiche
Stellung, welche Waldmüller für das volksthümliche Genre beanspruchen darf, behauptet
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Volume 1
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Volume
- 1
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.13 x 22.72 cm
- Pages
- 348
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277