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VOM KAISER BIS ZUM
BIBLIOTHEKSADJUNKTEN160
Als Caselli Franz I. nach Fertigstellung des 21. Bandes des Kataloges um
eine finanzielle Unterstützung in der Höhe von 100 fl. C.M. bittet, um die
Rechnung eines zweimonatigen Krankenhausaufenthaltes bezahlen zu kön-
nen, nimmt Young dies zum Anlass, den Kaiser am 22. Oktober 1828 über
Casellis Lage und Zustand unverhohlen ins Bild zu setzen:
„Traurig und mitleidenswürdig ist die Lage, in welcher sich dermalen Caselli
befindet. Seit mehreren Wochen scheint er wieder an einer Verrückung des Ver-
standes zu leiden. Die unanständigen, dem Charakter eines Geistlichen, ja sogar
jedes gebildeten Menschen unangemessenen Auftritte, welche er vor Kurzem,
dem sicheren Vernehmen nach, in Schellenhof, im Hause des dortigen Herr-
schaftsbesitzers Reina, in dem Kaffehause des Italieners Bacci in der Alsergasse,
auf der Gaße selbst u.s.w. machte, seine verwirrten, ungereimten und sogar Ae-
rgerniß erregenden Reden, überhaupt seine aeußere Haltung, und sein ganzes
Thun und Wesen, verrathen seine Geistes Verwirrung dergestalt, daß sie nicht
mehr in Zweifel gestellt werden dürfte. Die Bibliothek selbst fand sich nothge-
drungen, dem Caselli seit mehreren Tagen keine Arbeit mehr zu geben, denn
alles, was er seit einiger Zeit lieferte, war so verhudelt, so strotzvoll von Unrich-
tigkeiten und Fehlern, so verunreinigt, daß man davon gar keinen Gebrauch
machen konnte. Ich habe ihm öfters den freundschaftlichen Rath gegeben, ja ihn
inständig gebeten, sich seinen dermaligen Zustand recht ans Herz zu legen, und
unverzüglich die ärztliche Hülfe einzuholen, damit die Krankheit nicht über-
hand nehmen – und am Ende nicht die Polizey, wie es vor zwey Jahre geschah,
sich von Amtswegen ins Mittel legen dürfte. Jeder Rath, jede Bitte von mir war
fruchtlos; niemand ist, seiner Aeusserung nach, gescheider [sic!] und vernünf-
tiger als er. Sobald es aber mir von meinen Leuten zugebracht wurde, daß er
beym Tische (er genoß bis itzt bey mir zweymahl die Woche die Kost)684 sich zum
größten Aergerniß meiner Enkeln gegen die Ceremonien der heiligen Messe, de-
ren Lesung, nach aller Wahrscheinlichkeit, ihm von den Kapuzinern eingestellt
wurde, erfrechte, gottlose Aeusserungen auszustossen; und nebst dem sich gegen
meine älteste Enkelin, auf eine, geschweige eines Priester, sondern jedes wohlge-
sittesten [sic!] Mannes unwürdige Weise betragen hatte, so bath ich ihn, meine
Wohnung in so lange zu vermeiden, bis er zu dem Besitze seines vollkommenen
Verstandes wieder gelangt seyn würde. Aber meine Bitte war, vox clamantis in
deserto. Caselli erschien wieder an den gewöhnlichen Tagen, betrug sich aber bey
684 Caselli könnte von Young deshalb verpflegt worden sein, da er für ihn auch privat kalligra-
fische Abschriften anfertigte. So stammt etwa das Manuskript des von Young aus dem La-
teinischen ins Italienische übersetzten Werkes „Il Zodiacus vitae id est de hominis vita stu-
dio […] (Zodiaco della vita)” des Marcello Palingènio Stellato von Casellis Hand. [FRANZ
30694], heute ÖNB, HAD, Cod. Ser. n. 12.982 und 12.983.
Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
- Subtitle
- Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
- Authors
- Thomas Huber-Frischeis
- Nina Knieling
- Rainer Valenta
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 644
- Keywords
- Austrian History, Book History, Library History, 18th Century, 19th Century, Emperor Francis I, Österreichische Geschichte, Buchgeschichte, Bibliotheksgeschichte, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Hofburg, Kaiser Franz I.
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 15
- 2. Zur Vorbildfunktion der Privatbibliothek von Pietro Leopoldo und Maria Luisa. Erwerbungsstrategien und Buchlektüre am florentinischen Hof (NK) 27
- 2.1 Pietro Leopoldo als Großherzog von Toskana 28
- 2.2 Meilensteine der florentinischen Privatbibliothek der Großherzoge 30
- 2.3 Akquisitionspolitik und Benutzung 36
- 2.4 Sapere aude – Das Buch als Eckpfeiler der aufgeklärten Erziehung und seine mediale Rezeption 49
- 2.5 Spurensuche nach dem Nukleus der franziszeischen Privatbibliothek 62
- 3. Vom Kaiser bis zum Bibliotheksadjunkten. Die Akteure der Privatbibliothek 70
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 3.1.1 Die Prinzenerziehung in Wien und der prägende Einfluss von Erziehern und Lehrern (NK) 70
- 3.1.2 Franz II. als letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (NK) 76
- 3.1.3 Franz I. als Kaiser von Österreich (TH-F) 77
- 3.1.4 Die Privatbibliothek im administrativen Gefüge des erzherzoglichen bzw. kaiserlichen Hofstaats bis 1806 (NK) 81
- 3.2 Personal der Institution Privatbibliothek (TH-F) 83
- 3.2.1 Mathias Braunbeck 84
- 3.2.2 Peter Thomas Young 89
- 3.2.3 Michael Brunner 116
- 3.2.4 Alois Hofmann 121
- 3.2.5 Franz (Xaver) Thein 123
- 3.2.6 (Johann) Eduard Frister 128
- 3.2.7 Wenzel (Maximilian) Kißler 135
- 3.2.8 Leopold Joseph Wilhelm von Khloyber 140
- 3.2.9 Georg Thaa 151
- 3.2.10 Giuseppe Caselli 156
- 3.2.11 Joseph Ott 166
- 3.2.12 Philipp Held 176
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 4. Die Bibliothek als architektonischer Ort. Rekonstruktion und Entwicklung der Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. (RV) 178
- 5. Finanzpolitische Aspekte der Privatbibliothek (TH-F) 208
- 6. Vom Buchmarkt zum Bibliotheksbestand . Erwerbungsmechanismen und Bestandsaufbau 229
- 6.1 The Marketplace of Ideas – Akquisitionspolitik 1784 bis 1791 (NK) 229
- 6.2 Ein Handapparat entsteht – Bestandsaufbau und unktionswandel der Privatbibliothek 1784 bis 1791 (NK) 244
- 6.3 Handelspraktiken des Buchmarktes 1792 bis 1806 im Spiegel der Privatbibliothek (NK) 252
- 6.4 Erwerbungen bei in- und ausländischen Buchhändlern 1806 bis 1835 (TH-F) 266
- 6.5 Ankauf geschlossener Sammlungen von 1806 bis 1835 (TH-F) 280
- 6.5.1 Die ererbte Bibliothek Erzherzogin Maria Elisabeths (1808) 283
- 6.5.2 Die Manuskriptsammlungen des Joseph von Sartori (1809, 1813) 287
- 6.5.3 Die Bibliothek des Peter Anton Freiherrn von Frank (1819) 292
- 6.5.4 Die Inkunabelsammlung des Ferdinand Freiherrn von Ulm (1824) 296
- 6.5.5 Sammlung chinesischer Handzeichnungen des Generalkonsuls Edward Watts (um 1826) 304
- 6.5.6 Die physiognomische Studiensammlung des Johann Caspar Lavater (1828) 307
- 6.5.7 Aus dem Nachlass des ehemaligen Leibarztes Nikolaus Thomas Host (1834) 314
- 6.6 Erwerbungen im Rahmen von Auktionen von 1806 bis 1835 (TH-F) 320
- 6.6.1 Aus der Privatbibliothek des Franz Freiherrn von Prandau (1811) 322
- 6.6.2 Aus der Privatbibliothek des Johann Melchior Edlen von Birkenstock (1812) 327
- 6.6.3 Aus der Privatbibliothek der Grafen Apponyi (1818) 338
- 6.6.4 Aus der Privatbibliothek des Prosper Fürsten von Sinzendorf (1823) 339
- 6.6.5 Aus der Privatbibliothek König Maximilian I. Josephs von Bayern (1826) 347
- 6.6.6 Aus dem Nachlass des Wiener Erzbischofs Leopold Maximilian Graf Firmian (1832) 352
- 6.6.7 Aus der Bibliothek der Grafen Auersperg im Schloss Wolfpassing (1834) 356
- 6.7 Der Bestandsaufbau der Privatbibliothek 1806 bis 1835 im Überblick (TH-F) 359
- 7. Bibliothek und Ordnung 363
- 8. Die Sammlungsbestände im historischen Kontext. Exemplarische Analysen 394
- 9. Die Privatbibliothek im Vergleich. Einblicke und Ausblicke 489
- 10. Resümee 537
- Bildteil 545
- 11. Anhang 561
- 11.1 Werke der Büchersammlung aus Florenz in der kaiserlichen Privatbibliothek 561
- 11.2 Werke der Büchersammlung aus Florenz im Prunksaal 568
- 11.3 Sammlung der besten deutschen prosaischen Schriftsteller und Dichter 571
- 11.4 Ahnentafel Kaiser Franz’ I 574
- 11.5 Beschreibung der Lebensweise Kaiser Franz’ I 574
- 11.6 Wiener Buchhändler als Lieferanten der Privatbibliothek 577
- 11.7 Edition des von der Zensur verbotenen Eipeldauerbriefs 579
- 11.8 Prandau’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen bzw. nicht erworbenen Werke 579
- 11.9 Birkenstock’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 582
- 11.10 Sinzendorf’sche Auktion: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 590
- 11.11 Auktion der Bibliothek Maximilians I. von Bayern: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen Werke 592
- 12. Abbildungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis 595
- 13. Register 630