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DIE SAMMLUNGSBESTÄNDE IM HISTORISCHEN
KONTEXT478
Besondere Bedeutung kommt der Darstellung des kaiserlichen Einzuges in
die Stadt Wien zu, der am 16. 6. 1814 nach der Beendigung der Befreiungs-
kriege und der Rückkehr des Monarchen aus Frankreich veranstaltet wurde
(Tafel XV und Abb. 76). Hoechle hat allein fünf Versionen dieses Gegenstan-
des geschaffen.1745 Außerdem bildete er 1825 den thematischen Ausgangs-
punkt, als Johann Peter Krafft mit der Schöpfung von drei monumentalen
Wandgemälden für den Saal im ehemaligen Appartement des Reichsvize-
kanzlers in der Hofburg beauftragt wurde. Dieser Raum sollte fortan als
Wartesaal für die zahlreichen Bittsteller dienen, die der Kaiser in wöchentli-
chem Abstand im Rahmen der allgemeinen Audienzen zu empfangen
pflegte. Man hat das Außergewöhnliche und Neuartige der monumentalen
Darstellung einer Volksmenge in einer herrscherlichen Residenz oftmals he-
rausgestrichen. Doch das Volk – als Bittsteller und Nutznießer der Wohltä-
tigkeit seines Monarchen – war selbst der Rezipient dieser Wandbilder; und
es sollte sich in ihnen wieder- und in seiner Haltung gegenüber dem Kaiser
präformiert finden. Der Vergleich mag weit hergeholt sein, aber das identifi-
katorische Verhältnis zwischen Betrachter und Figuren im Bild ähnelt hier
jenem, das man u. a. bei modernen Werbeplakaten – seien sie nun politisch
oder kommerziell motiviert – zu erzielen versucht. Grundlegend dafür ist je-
doch die Verbindung der Darstellung eines herrscherlichen Rituals (des
fürstlichen Einzuges) mit der Wiedergabe der daran partizipierenden Volks-
menge, die schließlich, ganz im Gegensatz zu den älteren Repräsentationen
des Themas,1746 zum eigentlichen Gegenstand des Bildes avanciert. Zur Zeit
des Wiener Kongresses, eben anlässlich jenes innig zelebrierten Einzuges
vom 16. 6. 1814, aber entstanden vermutlich die ersten Beispiele dieser bild-
lich-medialen Verbindung zwischen Volk und Herrscher im habsburgischen
Raum, unter denen die Aquarelle von Hoechle die damals herausragenden
Beispiele darstellen.1747
Kommen wir nun zu den beiden familiären Szenen. Blatt 6 (Abb. 77) zeigt
den Kaiser mit seiner zweiten Gemahlin Maria Theresia von Neapel-Sizilien
und den damals lebenden Kindern vor der Kulisse des Parks und der Fran-
zensburg in Laxenburg im Jahr 1807. Die Datumsangabe ist zugleich ein
Terminus ante quem, da die Kaiserin in diesem Jahr starb. Außerdem ist zu
1745 BAG, Pk 502, 10 und 11, Pk 2992; Albertina, 22.671 und 22.674. Auch die beiden zuletzt
zitierten Blätter waren ursprünglich Sammlungsgut der Fideikommissbibliothek.
1746 Zum frühneuzeitlichen Darstellungstypus des Herrschereinzuges, der sich vor allem auf
die Wiedergabe aller am Gefolge beteiligten Gruppierungen konzentriert, vgl. Rudolph,
visuelle Kultur.
1747 Die Wurzeln der Volksmassen-Darstellung in Verbindung mit rituellen Handlungen des
Herrschers liegen in Frankreich, und zwar noch in der vorrevolutionären Zeit. Vgl. Held,
Monument, 327–382.
Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
- Subtitle
- Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
- Authors
- Thomas Huber-Frischeis
- Nina Knieling
- Rainer Valenta
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 644
- Keywords
- Austrian History, Book History, Library History, 18th Century, 19th Century, Emperor Francis I, Österreichische Geschichte, Buchgeschichte, Bibliotheksgeschichte, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Hofburg, Kaiser Franz I.
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 15
- 2. Zur Vorbildfunktion der Privatbibliothek von Pietro Leopoldo und Maria Luisa. Erwerbungsstrategien und Buchlektüre am florentinischen Hof (NK) 27
- 2.1 Pietro Leopoldo als Großherzog von Toskana 28
- 2.2 Meilensteine der florentinischen Privatbibliothek der Großherzoge 30
- 2.3 Akquisitionspolitik und Benutzung 36
- 2.4 Sapere aude – Das Buch als Eckpfeiler der aufgeklärten Erziehung und seine mediale Rezeption 49
- 2.5 Spurensuche nach dem Nukleus der franziszeischen Privatbibliothek 62
- 3. Vom Kaiser bis zum Bibliotheksadjunkten. Die Akteure der Privatbibliothek 70
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 3.1.1 Die Prinzenerziehung in Wien und der prägende Einfluss von Erziehern und Lehrern (NK) 70
- 3.1.2 Franz II. als letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (NK) 76
- 3.1.3 Franz I. als Kaiser von Österreich (TH-F) 77
- 3.1.4 Die Privatbibliothek im administrativen Gefüge des erzherzoglichen bzw. kaiserlichen Hofstaats bis 1806 (NK) 81
- 3.2 Personal der Institution Privatbibliothek (TH-F) 83
- 3.2.1 Mathias Braunbeck 84
- 3.2.2 Peter Thomas Young 89
- 3.2.3 Michael Brunner 116
- 3.2.4 Alois Hofmann 121
- 3.2.5 Franz (Xaver) Thein 123
- 3.2.6 (Johann) Eduard Frister 128
- 3.2.7 Wenzel (Maximilian) Kißler 135
- 3.2.8 Leopold Joseph Wilhelm von Khloyber 140
- 3.2.9 Georg Thaa 151
- 3.2.10 Giuseppe Caselli 156
- 3.2.11 Joseph Ott 166
- 3.2.12 Philipp Held 176
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 4. Die Bibliothek als architektonischer Ort. Rekonstruktion und Entwicklung der Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. (RV) 178
- 5. Finanzpolitische Aspekte der Privatbibliothek (TH-F) 208
- 6. Vom Buchmarkt zum Bibliotheksbestand . Erwerbungsmechanismen und Bestandsaufbau 229
- 6.1 The Marketplace of Ideas – Akquisitionspolitik 1784 bis 1791 (NK) 229
- 6.2 Ein Handapparat entsteht – Bestandsaufbau und unktionswandel der Privatbibliothek 1784 bis 1791 (NK) 244
- 6.3 Handelspraktiken des Buchmarktes 1792 bis 1806 im Spiegel der Privatbibliothek (NK) 252
- 6.4 Erwerbungen bei in- und ausländischen Buchhändlern 1806 bis 1835 (TH-F) 266
- 6.5 Ankauf geschlossener Sammlungen von 1806 bis 1835 (TH-F) 280
- 6.5.1 Die ererbte Bibliothek Erzherzogin Maria Elisabeths (1808) 283
- 6.5.2 Die Manuskriptsammlungen des Joseph von Sartori (1809, 1813) 287
- 6.5.3 Die Bibliothek des Peter Anton Freiherrn von Frank (1819) 292
- 6.5.4 Die Inkunabelsammlung des Ferdinand Freiherrn von Ulm (1824) 296
- 6.5.5 Sammlung chinesischer Handzeichnungen des Generalkonsuls Edward Watts (um 1826) 304
- 6.5.6 Die physiognomische Studiensammlung des Johann Caspar Lavater (1828) 307
- 6.5.7 Aus dem Nachlass des ehemaligen Leibarztes Nikolaus Thomas Host (1834) 314
- 6.6 Erwerbungen im Rahmen von Auktionen von 1806 bis 1835 (TH-F) 320
- 6.6.1 Aus der Privatbibliothek des Franz Freiherrn von Prandau (1811) 322
- 6.6.2 Aus der Privatbibliothek des Johann Melchior Edlen von Birkenstock (1812) 327
- 6.6.3 Aus der Privatbibliothek der Grafen Apponyi (1818) 338
- 6.6.4 Aus der Privatbibliothek des Prosper Fürsten von Sinzendorf (1823) 339
- 6.6.5 Aus der Privatbibliothek König Maximilian I. Josephs von Bayern (1826) 347
- 6.6.6 Aus dem Nachlass des Wiener Erzbischofs Leopold Maximilian Graf Firmian (1832) 352
- 6.6.7 Aus der Bibliothek der Grafen Auersperg im Schloss Wolfpassing (1834) 356
- 6.7 Der Bestandsaufbau der Privatbibliothek 1806 bis 1835 im Überblick (TH-F) 359
- 7. Bibliothek und Ordnung 363
- 8. Die Sammlungsbestände im historischen Kontext. Exemplarische Analysen 394
- 9. Die Privatbibliothek im Vergleich. Einblicke und Ausblicke 489
- 10. Resümee 537
- Bildteil 545
- 11. Anhang 561
- 11.1 Werke der Büchersammlung aus Florenz in der kaiserlichen Privatbibliothek 561
- 11.2 Werke der Büchersammlung aus Florenz im Prunksaal 568
- 11.3 Sammlung der besten deutschen prosaischen Schriftsteller und Dichter 571
- 11.4 Ahnentafel Kaiser Franz’ I 574
- 11.5 Beschreibung der Lebensweise Kaiser Franz’ I 574
- 11.6 Wiener Buchhändler als Lieferanten der Privatbibliothek 577
- 11.7 Edition des von der Zensur verbotenen Eipeldauerbriefs 579
- 11.8 Prandau’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen bzw. nicht erworbenen Werke 579
- 11.9 Birkenstock’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 582
- 11.10 Sinzendorf’sche Auktion: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 590
- 11.11 Auktion der Bibliothek Maximilians I. von Bayern: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen Werke 592
- 12. Abbildungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis 595
- 13. Register 630