Page - 33 - in Radetzkymarsch
Image of the Page - 33 -
Text of the Page - 33 -
schwang er die Tischglocke. Jacques kam. »Fräulein Hirschwitz«, befahl der
Bezirkshauptmann, »möchte heute den Wein heraufholen lassen und, wenn’s
geht, Rindfleisch vorbereiten und Kirschknödel. Wir essen heute zwanzig
Minuten später als gewöhnlich.« »Jawohl, Herr Baron«, sagte Jacques, sah
Carl Joseph an und flüsterte: »Gratuliere herzlich!« Der Bezirkshauptmann
ging zum Fenster, die Szene drohte rührend zu werden. Hinter seinem Rücken
vernahm er, wie der Sohn dem Diener die Hand gab, Jacques mit den Füßen
scharrte, etwas Unverständliches vom seligen Herrn murmelte. Er wandte sich
erst um, als Jacques das Zimmer verlassen hatte.
»Es ist heiß, nicht?« begann der Alte.
»Jawohl, Papa!«
»Ich denke, wir gehn an die Luft!«
»Jawohl, Papa!«
Der Bezirkshauptmann nahm den schwarzen Stock aus Ebenholz mit dem
silbernen Griff, nicht das gelbe Rohr, das er sonst an hellen Vormittagen zu
tragen liebte. Auch die Handschuhe behielt er nicht in der Linken, er streifte
sie über. Er setzte den Halbzylinder auf und verließ das Zimmer, gefolgt von
dem Jungen. Langsam und ohne ein Wort zu wechseln, gingen beide durch
die sommerliche Stille des Stadtparks. Der Stadtpolizist salutierte, Männer
erhoben sich von den Bänken und grüßten. Neben der dunklen Gravität des
Alten nahm sich die klirrende Buntheit des Jungen noch leuchtender und
geräuschvoller aus. In der Allee, in der ein hellblondes Mädchen Sodawasser
mit Himbeersaft unter einem roten Sonnenschirm ausschenkte, hielt der Alte
ein und sagte: »Ein frischer Trunk kann nicht schaden!« – Er bestellte zwei
Soda ohne und beobachtete mit verstohlener Würde das blonde Fräulein, das
wollüstig und willenlos ganz in den farbigen Schimmer Carl Josephs
einzutauchen schien. Sie tranken und gingen weiter. Manchmal schwenkte der
Bezirkshauptmann ein bißchen den Stock, es war wie die Andeutung eines
Übermuts, der sich in Grenzen zu halten weiß. Obwohl er schwieg und ernst
war wie gewöhnlich, erschien er seinem Sohn heute beinahe flott. Aus seinem
frohen Innern brach gelegentlich ein wohlgefälliges Hüsteln, eine Art Lachen.
Grüßte ihn jemand, so hob er kurz den Hut. Es gab Augenblicke, in denen er
sich sogar zu kühnen Paradoxen vortraute, wie zum Beispiel: »Auch
Höflichkeit kann lästig werden!« Er sprach lieber ein gewagtes Wort aus, als
daß er sich die Freude über die staunenden Blicke der Vorbeikommenden
hätte anmerken lassen. Als sie sich wieder dem Haustor näherten, blieb er
noch einmal stehen. Er wandte sein Angesicht dem Sohn zu und sagte: »In
meiner Jugend wär’ ich auch gern Soldat geworden. Dein Großvater hat’s
ausdrücklich verboten. Jetzt bin ich zufrieden, daß du nicht Beamter bist!«
»Jawohl, Papa!« erwiderte Carl Joseph.
33
back to the
book Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik