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Radetzkymarsch
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Es gab Wein, auch Rindfleisch und Kirschknödel hatte man ermöglicht. Fräulein Hirschwitz kam im sonntäglich Grauseidenen und ließ beim Anblick Carl Josephs den größten Teil ihrer Strenge ohne weiteres fallen. »Ich freue mich sehr«, sagte sie, »und beglückwünsche Sie herzlich.« »Beglückwünschen heißt gratulieren«, bemerkte der Bezirkshauptmann. Und man begann zu essen. »Du brauchst dich nicht zu eilen!« sagte der Alte. »Wenn ich schneller fertig bin, so wart’ ich noch ein bißchen.« Carl Joseph sah auf. Er begriff, daß der Vater seit Jahr und Tag wohl gewußt hatte, wieviel Mühe es kostete, mit ihm Schritt zu halten. Und zum erstenmal war es ihm, als sähe er durch den Panzer des Alten in sein lebendiges Herz und in das Gewebe seiner geheimen Gedanken. Obwohl er bereits ein Leutnant war, wurde Carl Joseph rot. »Danke, Papa!« sagte er. Der Bezirkshauptmann löffelte hastig weiter. Er schien nicht zu hören. Ein paar Tage später stiegen sie in den Zug nach Wien. Der Sohn las in der Zeitung, der Alte in den Akten. Einmal blickte der Bezirkshauptmann auf und sagte: »Wir wollen in Wien eine Salonhose bestellen, du hast nur zwei.« »Danke, Papa!« Sie lasen weiter. Sie waren knapp eine Viertelstunde vor Wien, als der Vater die Akten zusammenklappte. Der Sohn legte sofort die Zeitung weg. Der Bezirkshauptmann sah auf die Fensterscheibe, dann ein paar Sekunden auf den Sohn. Plötzlich sagte er: »Du kennst doch den Wachtmeister Slama?« Der Name schlug an Carl Josephs Gedächtnis, ein Ruf aus verlorenen Zeiten. Er sah sofort den Weg, der zum Gendarmeriekommando führte, das niedrige Zimmer, den geblümten Schlafrock, das breite und wohlbepackte Bett, er roch den Duft der Wiesen und gleichzeitig das Reseda der Frau Slama. Er lauschte. »Er ist leider Witwer geworden, in diesem Jahr«, fuhr der Alte fort. »Traurig. Die Frau ist an einer Geburt gestorben. Solltest ihn besuchen.« Es wurde auf einmal unerträglich heiß im Kupee. Carl Joseph versuchte, den Kragen zu lockern. Während er vergeblich nach einem passenden Wort rang, stieg eine törichte, heiße, kindische Lust zu weinen in ihm auf, würgte ihn im Hals, sein Gaumen wurde trocken, als hätte er seit Tagen nicht getrunken. Er fühlte den Blick seines Vaters, sah angestrengt in die Landschaft, empfand die Nähe des Ziels, dem sie unaufhaltsam entgegenfuhren, als eine Verschärfung seiner Qual, wünschte sich wenigstens in den Korridor und sah gleichzeitig ein, daß er dem Blick und der Mitteilung des Alten nicht davonlaufen könnte. Er raffte schnell ein paar schwache, vorläufige Kräfte zusammen und sagte: »Ich werde ihn besuchen!« »Es scheint, daß du die Eisenbahn nicht verträgst«, bemerkte der Vater. »Jawohl, Papa!« 34
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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