Page - 39 - in Radetzkymarsch
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konnte und warnen, mit leisen und spitzen Fingern in Papieren blättern, die
Schubladen mit grimmigem Ruck in ihre Fächer stieß, Schlüssel so
entschieden abzog, daß man glauben konnte, die Schlösser seien für alle
Ewigkeit versperrt. Es war die Hand, die mit lauernder Ungeduld auf die
Tischkante trommelte, wenn es nicht nach dem Willen ihres Herrn ging, und
an die Fensterscheibe, wenn im Zimmer irgendeine Verlegenheit entstanden
war. Diese Hand hob den mageren Zeigefinger, wenn jemand im Haus etwas
unterlassen hatte, ballte sich zur stummen, niemals aufschlagenden Faust,
bettete sich zärtlich um die Stirn, nahm behutsam den Zwicker ab, bog sich
leicht um das Weinglas, führte die schwarze Virginier liebkosend zum Mund.
Es war die linke Hand des Vaters, dem Sohn seit langem vertraut. Und
dennoch war es, als erführe er jetzt erst, daß es die Hand des Vaters war, die
väterliche Hand. Carl Joseph verspürte das Verlangen, diese Hand an seine
Brust zu drücken.
»Siehst du, der Moser!« begann der Bezirkshauptmann, schwieg eine
Weile, suchte nach einem gerecht abwägenden Wort und sagte endlich: »Aus
dem hätte was werden können.«
»Ja, Papa!«
»Wie er das Bild vom Großvater gemacht hat, war er sechzehn Jahre alt.
Waren wir beide sechzehn Jahre alt! Es war mein einziger Freund in der
Klasse! Dann ist er in die Akademie gekommen. Der Schnaps hat ihn halt
erwischt. Er ist trotzdem … « Der Bezirkshauptmann schwieg und sagte erst
nach ein paar Minuten: »Unter allen, die ich heut wiedergesehn hab’, ist er
trotzdem mein Freund!«
»Ja – Vater.«
Zum erstenmal sagte Joseph das Wort »Vater«! »Jawohl, Papa!«
verbesserte er sich schnell.
Es wurde dunkel. Der Abend fiel heftig in die Straße.
»Du frierst, Papa?«
»Keine Spur.«
Aber der Bezirkshauptmann schritt rascher aus. Bald waren sie in der Nähe
des Hotels.
»Herr Statthalter!« erscholl es hinter ihnen. Der Maler Moser war ihnen
offenbar gefolgt. Sie wandten sich um. Da stand er, den Hut in der Hand, mit
gesenktem Kopf, demütig, als wollte er den ironischen Anruf ungeschehen
machen. »Die Herren entschuldigen!« sagte er. »Habe zu spät bemerkt, daß
mein Etui leer ist!« Er zeigte eine offene, leere Blechschachtel. Der
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Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik