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Radetzkymarsch
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ausgezeichnet.« Und »ausgezeichnet!« wiederholte er eine Weile später. Es tat ihm leid, daß Trotta das Schnitzel versäumt hatte. Er hätte es dem Leutnant gern noch einmal vorgekaut; zumindest zugesehen, wie man eines mit Appetit verzehrt. »Na, gute Unterhaltung!« sagte er schließlich und wandte sich wieder den Dominosteinen zu. Die Verwirrung war um diese Stunde groß, man konnte keinen angenehmen Platz mehr finden. Rittmeister Taittinger, der die Messe seit undenklichen Zeiten verwaltete und dessen einzige Leidenschaft der Genuß von süßem Backwerk war, hatte das Kasino im Laufe der Zeit nach dem Muster jener Zuckerbäckerei eingerichtet, in der er jeden Nachmittag verbrachte. Man konnte ihn dort hinter der Glastür sitzen sehen, in der düsteren Unbeweglichkeit einer merkwürdigen uniformierten Reklamefigur. Er war der beste Stammgast der Konditorei, wahrscheinlich auch ihr hungrigster. Ohne sein gramvolles Angesicht um eine Spur zu beleben, verschlang er einen Teller Süßigkeiten nach dem andern, nippte von Zeit zu Zeit am Wasserglas, sah unbeweglich durch die Glastür auf die Straße, nickte gemessen, wenn ein vorbeikommender Soldat salutierte, und in seinem großen, mageren Schädel mit den spärlichen Haaren schien einfach gar nichts vorzugehen. Er war ein sanfter und sehr fauler Offizier. Die Beschäftigung mit den Angelegenheiten der Messe, ihrer Küche, der Köche, der Ordonnanzen, des Weinkellers war ihm unter allen dienstlichen Obliegenheiten die einzig genehme. Und seine ausgedehnte Korrespondenz mit Weinhändlern und Likörfabrikanten beschäftigte nicht weniger als zwei Kanzleischreiber. Es gelang ihm im Laufe der Jahre, die Einrichtung des Kasinos jener der geliebten Konditorei anzugleichen, niedliche Tischchen in den Winkeln aufzustellen und die Tischlampen mit rötlichen Schirmen zu bekleiden. Carl Joseph blickte um sich. Er suchte einen erträglichen Platz. Zwischen dem Fähnrich in der Reserve Bärenstein, Ritter von Zaloga, einem jüngst geadelten reichen Advokaten, und dem rosigen Leutnant Kindermann, reichsdeutscher Abkunft, war man verhältnismäßig am sichersten. Der Fähnrich, zu dessen gesetztem Alter und leicht gewölbtem Bauch die jugendliche Charge so wenig paßte, daß er aussah wie ein militärisch verkleideter Bürger, und dessen Angesicht mit dem kleinen, kohlschwarzen Schnurrbart befremdete, weil ihm gleichsam ein naturnotwendiger Zwicker fehlte, strömte in diesem Kasino eine zuverlässige Würde aus. Er erinnerte Carl Joseph an eine Art Hausarzt oder Onkel. Ihm allein in diesen zwei großen Sälen glaubte man, daß er wirklich und ehrlich saß – während die andern auf ihren Sitzen herumzuhüpfen schienen. Das einzige Zugeständnis, das der Fähnrich Doktor Bärenstein außer seiner Uniform dem Militär machte, war das Monokel während seiner Dienstzeit; denn er trug tatsächlich einen Zwicker in seinem bürgerlichen Leben. 60
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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