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Radetzkymarsch
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Hände vor den Mündern. Er nickte nur. Er hatte verstanden. Er bewilligte die Wünsche seiner Kundschaft, als wären sie Gnaden und als würden sie ihm nicht in baren, harten Münzen bezahlt. Mit kräftigen Händen spannte er selbst die Pferde aus und führte sie in die Ställe. Und während seine Töchter den Gästen in der breiten, niedrigen Gaststube Branntwein mit getrockneten und gesalzenen Erbsen verabreichten, fütterte er mit begütigendem Zuspruch draußen die Tiere. Am Samstag saß er gebeugt über großen und frommen Büchern. Sein silberner Bart bedeckte die untere Hälfte der schwarzbedruckten Seiten. Wenn er gewußt hätte, daß sein Enkel einmal in der Uniform eines Offiziers und mörderisch bewaffnet durch die Welt spazieren würde, hätte er sein Alter verflucht und die Frucht seiner Lenden. Schon sein Sohn, Doktor Demants Vater, der mittlere Postbeamte, war dem Alten nur ein zärtlich geduldeter Greuel. Die Schenke, von Urvätern her vermacht, mußte den Töchtern und den Schwiegersöhnen überlassen bleiben; während die männlichen Nachkommen bis in die fernste Zukunft Beamte, Gebildete, Angestellte und Dummköpfe zu bleiben bestimmt waren. Bis in die fernste Zukunft: Das paßte allerdings nicht! Der Regimentsarzt hatte keine Kinder. Er wünschte sich auch keine … Seine Frau nämlich – An dieser Stelle pflegte Doktor Demant seine Erinnerungen abzubrechen. Er dachte an seine Mutter: Sie lebte in ständiger, hastiger Suche nach irgendwelchen Nebeneinnahmen. Der Vater sitzt nach der Dienstzeit im kleinen Kaffeehaus. Er spielt Tarock und verliert und bleibt die Zeche schuldig. Er wünscht, daß der Sohn vier Mittelschulklassen absolviere und dann Beamter werde; bei der Post natürlich. »Du willst immer hoch hinaus!« sagt er zur Mutter. Er hält, mag sein ziviles Leben noch so unordentlich sein, eine lächerliche Ordnung in alle Requisiten, die er aus der Militärzeit mitgebracht hat. Seine Uniform, die Uniform eines »längerdienenden Rechnungsunteroffiziers«, mit den goldenen Ecken an den Ärmeln, den schwarzen Hosen und dem Infanterietschako, hängt im Schrank wie eine in drei Teile zerlegte und immer noch lebendige Persönlichkeit, mit leuchtenden, jede Woche frisch geputzten Knöpfen. Und der schwarze, gebogene Säbel mit dem gerippten, ebenfalls jede Woche aufgefrischten Griff liegt quer, von zwei Nägeln gehalten, an der Wand über dem nie benutzten Schreibtisch, mit lässig baumelnder, goldgelber Troddel, die an eine knospenhaft geschlossene und etwas verstaubte Sonnenblume erinnert. »Wenn du nicht gekommen wärst«, sagt der Vater zur Mutter, »hätt’ ich die Prüfung gemacht und wäre heute Rechnungshauptmann.« An Kaisers Geburtstag zieht der Postoffiziant Demant seine Beamtenuniform an, mit Krappenhut und Degen. An diesem Tage spielt er nicht Tarock. Jedes Jahr an Kaisers Geburtstag nimmt er sich vor, ein neues, schuldenfreies Leben zu beginnen. Er betrinkt sich also. Und er kommt spät in der Nacht heim, zieht in der Küche seinen Degen und 70
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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