Page - 75 - in Radetzkymarsch
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Hermann, der Mann der Elisabeth. Sechshundert Kronen monatlich kosteten
beide Töchter. Er wußte es ganz genau auswendig. Wenn der Regimentsarzt
einmal blind werden sollte – er betrachtete die funkelnden Brillen. Er soll auf
seine Frau aufpassen! Kurzsichtigen darf es auch nicht schwerfallen!
»Wie spät ist es jetzt?« fragte er, sehr freundlich und sehr harmlos.
»Bald sieben!« sagte der Doktor.
»Ich werde mich anziehn!« entschied der Schwiegervater. Er stand auf,
nickte und wallte würdig und langsam zur Tür hinaus.
Der Regimentsarzt blieb. Nach der vertrauten Einsamkeit des Friedhofs
schien ihm die Einsamkeit im eigenen Hause riesengroß, ungewohnt,
feindlich beinahe. Zum erstenmal in seinem Leben schenkte er sich selbst
einen Schnaps ein. Es war, als tränke er überhaupt zum erstenmal in seinem
Leben. Ordnung machen, dachte er, man muß Ordnung machen. Er war
entschlossen, mit seiner Frau zu sprechen. Er trat in den Korridor. »Wo ist
meine Frau?« »Im Schlafzimmer!« sagte der Bursche. Anklopfen? fragte sich
der Doktor. Nein! befahl sein eisernes Herz. Er klinkte die Tür auf. Seine Frau
stand, in blauen Höschen, eine große, rosarote Puderquaste in der Hand, vor
dem Schrankspiegel. »Ach!« schrie sie und hielt eine Hand vor die Brust. Der
Regimentsarzt blieb an der Tür. »Du bist es?« sagte die Frau. Es war eine
Frage, sie klang wie ein Gähnen. »Ich bin es!« antwortete der Regimentsarzt
mit fester Stimme. Ihm war, als spräche ein anderer. Er hatte die Brille an;
aber er sprach in einen Nebel. »Dein Vater«, begann er, »hat mir gesagt, daß
der Leutnant Trotta hier war!«
Sie wandte sich um. Sie stand in den blauen Höschen, die Quaste, wie eine
Waffe in der Rechten, gegen ihren Mann gewendet und sagte mit
zwitschernder Stimme: »Dein Freund, der Trotta, war hier! Papa ist
gekommen! Hast ihn schon gesehn?«
»Eben darum!« sagte der Regimentsarzt und wußte sofort, daß er verspielt
hatte.
Es blieb eine Weile still.
»Warum klopfst du nicht?« fragte sie.
»Ich wollte dir eine Freude machen!«
»Du erschreckst mich!«
»Ich –«, begann der Regimentsarzt. Er wollte sagen: Ich bin dein Mann!
Aber er sagte: »Ich liebe dich!«
Er liebte sie in der Tat. Sie stand da, in blauen Höschen, die rosarote
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Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik