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Radetzkymarsch
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Es wurde ihm klar, daß er zuviel getrunken hatte. Er dachte befriedigt: Ich bin betrunken und will es auch. Und er sagte, mit einer fremden Stimme, als hätte er jetzt die Pflicht, betrunken und nicht er selbst zu sein: »So, aha!« Nach seinen unklaren Vorstellungen waren es diese Worte und dieser Klang, die ein betrunkener Mann in solchen Augenblicken zu singen hatte. Er sang also. Und er tat ein übriges. »Ich werde dich töten!« sagte er ganz langsam. »Töte mich!« zwitscherte sie mit ihrer alten, hellen, gewohnten Stimme. Sie erhob sich. Sie erhob sich flink und geschmeidig, die Puderquaste in der Rechten. Der schlanke und volle Schwung ihrer seidenen Beine erinnerte ihn flüchtig an Gliedmaßen in den Schaufenstern der Modehäuser, die ganze Frau war zusammengesetzt, aus Stücken zusammengesetzt. Er liebte sie nicht mehr, er liebte sie nicht mehr. Er war erfüllt von einer Gehässigkeit, die er selbst haßte, einem Zorn, der wie ein unbekannter Feind aus fernen Gegenden zu ihm gekommen war und nun in seinem Herzen wohnte. Er sagte laut, was er vor einer Stunde gedacht hatte: »Ordnung machen! Ich werde Ordnung machen« Sie lachte, mit einer schallenden Stimme, die er nicht kannte. Eine Theaterstimme! dachte er. Ein unbezwinglicher Drang, ihr zu beweisen, daß er Ordnung machen könne, gab seinen Muskeln Fülle, seinen schwachen Augen eine ungewöhnliche Stärke. Er sagte: »Ich lasse dich mit deinem Vater allein! Ich gehe den Trotta aufsuchen!« »Geh nur, geh!« sagte die Frau. Er ging. Er kehrte, bevor er das Haus verließ, noch einmal ins Herrenzimmer zurück, um einen Schnaps zu trinken. Er kehrte zum Alkohol zurück wie zu einem heimischen Freund, zum erstenmal in seinem Leben. Er schenkte sich ein Gläschen ein, noch eines und ein drittes. Er verließ das Haus mit klirrenden Schritten. Er ging ins Kasino. Er fragte die Ordonnanz: »Wo ist Herr Leutnant Trotta?« Leutnant Trotta war nicht im Kasino. Der Regimentsarzt schlug die schnurgerade Landstraße ein, die zur Kaserne führte. Schon war der Mond im Abnehmen. Er leuchtete noch silbern und stark, beinahe ein Vollmond. Auf der stillen Landstraße rührte sich kein Hauch. Die dürren Schatten der kahlen Kastanien zu beiden Seiten zeichneten ein verworrenes Netz auf die leichtgewölbte Mitte der Straße. Hart und gefroren klang der Schritt Doktor Demants. Er ging zum Leutnant Trotta. Er sah von ferne, in bläulichem Weiß, die mächtige Mauer der Kaserne, er ging auf sie los, auf die feindliche Burg. Ihm entgegen kam der kalte, blecherne Ton des Zapfenstreichs, Doktor Demant marschierte geradewegs auf die gefrorenen, metallenen Töne zu, er zertrat sie. Bald, jeden Augenblick, mußte 77
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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