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Radetzkymarsch
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»Setzen Sie sich dorthin, aufs Sofa!« befahl Frau Demant. Carl Joseph setzte sich. Die angenehmen Polster glitten von allen Seiten, von der Lehne, aus den Winkeln, tückisch und behutsam gegen den Leutnant. Er fühlte, daß es gefährlich war, hier zu sitzen, und rückte entschlossen an den Rand, legte die Hände über den Korb des aufgestützten Säbels und sah Frau Eva herankommen. Wie der gefährliche Befehlshaber all der Kissen und Polster sah sie aus. An der Wand, rechts vom Sofa, hing das Bild des toten Freundes. Frau Eva setzte sich. Ein sanftes, kleines Kissen lag zwischen beiden. Trotta rührte sich nicht. Wie immer, wenn er keinen Weg aus einer der zahlreichen peinigenden Situationen sah, in die er zu gleiten pflegte, stellte er sich vor, daß er schon imstande sei fortzugehn. »Sie werden also transferiert?« fragte Frau Demant. »Ich lasse mich transferieren!« sagte er, den Blick auf den Teppich gesenkt, das Kinn in den Händen und die Hände über dem Korb des Säbels. »Das muß sein?« »Jawohl, es muß sein!« »Es tut mir leid! – Sehr leid!« Frau Demant saß, wie er, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, das Kinn in den Händen und die Augen auf den Teppich gerichtet. Sie wartete wahrscheinlich auf ein tröstliches Wort, auf ein Almosen. Er schwieg. Er genoß das wonnige Gefühl, den Tod des Freundes durch ein hartherziges Schweigen fürchterlich zu rächen. Geschichten von gefährlichen, kleinen, Männer mordenden, hübschen Frauen, oft wiederkehrend in den Gesprächen der Kameraden, fielen ihm ein. Zu dem gefährlichen Geschlecht der schwachen Mörderinnen gehörte sie höchstwahrscheinlich. Man mußte trachten, unverzüglich ihrem Bereich zu entkommen. Er rüstete zum Aufbruch. In diesem Augenblick veränderte Frau Demant ihre Haltung. Sie nahm die Hände vom Kinn. Ihre Linke begann, gewissenhaft und sachte die seidene Borte zu glätten, die den Rand des Sofas einsäumte. Ihre Finger gingen so den schmalen, glänzenden Pfad, der von ihr zu Leutnant Trotta führte, auf und ab, regelmäßig und langsam. Sie stahlen sich in sein Blickfeld, er wünschte sich Scheuklappen. Die weißen Finger verwickelten ihn in ein stummes, aber keineswegs abzubrechendes Gespräch. Eine Zigarette rauchen: glücklicher Einfall! Er zog die Zigarettendose, die Streichhölzer. »Geben Sie mir eine!« sagte Frau Demant. Er mußte in ihr Gesicht sehen, als er ihr Feuer gab. Er hielt es für ungehörig, daß sie rauchte; als wäre Nikotingenuß in der Trauer nicht erlaubt. Und die Art, in der sie den ersten Zug einatmete und wie sie die Lippen rundete zu einem kleinen, roten Ring, aus dem die zarte, blaue Wolke kam, war übermütig und lasterhaft. 106
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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