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Radetzkymarsch
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den Grad der Verwandtschaft seiner Gäste zu kennen. Es war allmählich Sitte geworden, als Familienangehöriger Chojnickis auf das »neue Schloß« zu kommen und hier den Sommer zu verbringen. Gesättigt, erholt und manchmal vom Ortsschneider des Grafen auch mit neuen Kleidern versehen, kehrten die Besucher, sobald die ersten Züge der Stare in den Nächten hörbar wurden und die Zeit der Kukuruzkolben vorbei war, in die unbekannten Gegenden zurück, in denen sie heimisch sein mochten. Der Hausherr merkte weder die Ankunft noch den Aufenthalt, noch die Abreise seiner Gäste. Ein für allemal hatte er verfügt, daß sein jüdischer Gutsverwalter die Familienbeziehungen der Ankömmlinge zu prüfen hatte, ihren Verbrauch zu regeln, ihre Abreise vor Einbruch des Winters festzusetzen. Das Haus hatte zwei Eingänge. Während der Graf und die nicht zur Familie zählenden Gäste den vorderen Eingang benutzten, mußten seine Angehörigen den großen Umweg durch den Obstgarten machen und durch eine kleine Pforte in der Gartenmauer ein- und ausgehn. Sonst durften die Ungebetenen machen, was ihnen gefiel. Zweimal in der Woche, und zwar Montag und Donnerstag, fanden die sogenannten »kleinen Abende« beim Grafen Chojnicki statt und einmal im Monat das sogenannte »Fest«. An den »kleinen Abenden« waren nur sechs Zimmer erleuchtet und für den Aufenthalt der Gäste bestimmt, an den »Festen« aber zwölf. An den »kleinen Abenden« bediente das Personal ohne Handschuhe und in dunkelgelber Livree; an den »Festen« trugen die Lakaien weiße Handschuhe und ziegelbraune Röcke mit schwarzsamtenen Kragen und silbernen Knöpfen. Man begann immer mit Wermut und herben spanischen Weinen. Man ging über zu Burgunder und Bordeaux. Hierauf kam der Champagner. Ihm folgte der Cognac. Und man schloß, um der Heimat den gehörigen Tribut zu zollen, mit dem Gewächs des Bodens, dem Neunziggrädigen. Die Offiziere des außerordentlichen feudalen Dragonerregiments und die meist bürgerlichen Offiziere des Jägerbataillons schlossen beim Grafen Chojnicki rührselige Bündnisse fürs Leben. Die anbrechenden Sommermorgen sahen durch die breiten und gewölbten Fenster des Schlosses auf ein buntes Durcheinander von Infanterie- und Kavallerieuniformen. Die Schläfer schnarchten der goldenen Sonne entgegen. Gegen fünf Uhr morgens rannte eine Schar verzweifelter Offiziersburschen zum Schloß, die Herren zu wecken. Denn um sechs Uhr begannen die Regimenter zu exerzieren. Längst war der Hausherr, den der Alkohol nicht müde machte, in seinem kleinen Jagdpavillon. Er hantierte dort mit sonderbaren Glasröhren, Flämmchen, Apparaten. In der Gegend lief das Gerücht um, daß der Graf Gold machen wolle. In der Tat schien er sich mit törichten alchimistischen Versuchen abzugeben. Wenn es ihm auch nicht gelang, Gold herzustellen, so wußte er doch, es im Roulettespiel zu gewinnen. Er ließ manchmal durchblicken, daß 120
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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