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Radetzkymarsch
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Sie fuhren in die Stadt. »Na, gar so wild ist es hier nicht!« sagte der Bezirkshauptmann. »Amüsiert man sich hier?« »Sehr viel!« sagte Carl Joseph. »Beim Grafen Chojnicki. Da kommt alle Welt zusammen. Du wirst ihn sehen. Ich hab’ ihn sehr gern.« »Das war’ also der erste Freund, den du je gehabt hast?« »Der Regimentsarzt Max Demant war’s auch«, erwiderte Carl Joseph. »Hier ist dein Zimmer, Papa!« sagte der Leutnant. »Die Kameraden wohnen hier und machen manchmal Lärm in der Nacht. Aber es gibt kein anderes Hotel. Sie werden sich auch zusammennehmen, solang du da bist!« »Macht nix, macht nix!« sagte der Bezirkshauptmann. Er packte aus dem Koffer eine runde Blechdose, öffnete den Deckel und zeigte sie Carl Joseph. »Da ist so eine Wurzel – soll gegen Sumpffieber gut sein. Jacques schickt sie dir!« »Was macht er?« »Er ist schon drüben!« Der Bezirkshauptmann zeigte auf die Decke. »Er ist drüben!« wiederholte der Leutnant. Dem Bezirkshauptmann war es, als spräche ein alter Mann. Der Sohn mochte viele Geheimnisse haben. Der Vater kannte sie nicht. Man sagte: Vater und Sohn, aber zwischen beiden lagen viele Jahre, große Berge! Man wußte nicht viel mehr von Carl Joseph als von einem andern Leutnant. Er war zur Kavallerie eingerückt und hatte sich dann zur Infanterie transferieren lassen. Die grünen Aufschläge der Jäger trug er statt der roten der Dragoner. Nun ja! Mehr wußte man nicht! Man wurde offenbar alt. Man wurde alt. Man gehörte nicht ganz dem Dienst mehr und nichtden Pflichten! Man gehörte zu Jacques und zu Carl Joseph. Man brachte die steinharte, verwitterte Wurzel von einem zum andern. Der Bezirkshauptmann öffnete den Mund, immer noch gebeugt über den Koffer. Er sprach in den Koffer hinein wie in ein offenes Grab. Aber er sagte nicht, wie er gewollt hatte: Ich hab’ dich lieb, mein Sohn!, sondern: »Er ist sehr leicht gestorben! Es war ein echter Maiabend, und alle Vögel haben gepfiffen. Erinnerst dich an den Kanarienvogel? Der hat am lautesten gezwitschert. Jacques hat alle Stiefel geputzt. Dann erst ist er gestorben, im Hof, auf der Bank! Der Slama ist auch dabeigewesen. Am Vormittag nur hat er Fieber gehabt. Ich soll dich schön grüßen!« Dann blickte der Bezirkshauptmann vom Koffer auf und sah seinem Sohn ins Gesicht: »Genauso möcht’ ich auch einmal sterben!« 138
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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