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Radetzkymarsch
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blutlosen, halboffenen Lippen des Leutnants und seine harte, vorspringende, knöcherne Nase. »Er schläft gut!« sagte er zum Bezirkshauptmann. Beide kamen sich vor wie zwei Väter des Leutnants. Den Bezirkshauptmann ernüchterte der Nachtwind, aber eine unbestimmte Furcht nistete noch in seinem Herzen. Er sah die Welt untergehn, und es war seine Welt. Lebendig saß ihm gegenüber Chojnicki, allem Anschein nach ein lebendiger Mensch, dessen Knie sogar manchmal an das Schienbein Herrn von Trottas stießen, und dennoch unheimlich. Der alte Trommelrevolver, den Herr von Trotta mitgenommen hatte, drückte in der rückwärtigen Hosentasche. Was sollte da ein Revolver! Man sah keine Bären und keine Wölfe an der Grenze! Man sah nur den Untergang der Welt! Der Wagen hielt vor dem gewölbten, hölzernen Tor. Der Kutscher knallte mit der Peitsche. Die zwei Flügel des Tores gingen auf, und gemessen schritten die Schimmel die sachte Steigung hinan. Aus der ganzen Fensterfront fiel gelbes Licht auf den Kies und auf die Grasflächen zu beiden Seiten des Weges. Man hörte Stimmen und Klavierspiel. Es war ohne Zweifel ein »großes Fest«. Man hatte bereits gegessen. Die Lakaien liefen mit großen, buntfarbigen Schnäpsen umher. Die Gäste tanzten, spielten Tarock und Whist, tranken, dort hielt einer eine Rede vor Menschen, die ihm nicht zuhörten. Einige torkelten durch die Säle, andere schliefen in den Ecken. Es tanzten nur Männer miteinander. Die schwarzen Salonblusen der Dragoner preßten sich an die blauen der Jäger. In den Zimmern des »neuen Schlosses« ließ Chojnicki Kerzen brennen. Aus mächtigen, silbernen Leuchtern, die auf steinernen Wandbrettern und Vorsprüngen aufgestellt waren, oder von Lakaien, die jede halbe Stunde abwechselten, gehalten wurden, wuchsen die schneeweißen und wachsgelben dicken Kerzen. Ihre Flämmchen zitterten manchmal im nächtlichen Wind, der durch die offenen Fenster daherzog. Wenn für ein paar Augenblicke das Klavier schwieg, hörte man die Nachtigallen schlagen und die Grillen wispern und von Zeit zu Zeit die Wachstränen mit sachten Schlägen auf das Silber tropfen. Der Bezirkshauptmann suchte seinen Sohn. Eine namenlose Angst trieb den Alten durch die Zimmer. Sein Sohn – wo war er? Weder unter den Tänzern noch unter den betrunken Dahertorkelnden, noch unter den Spielern, noch unter den älteren, gesitteten Männern, die da und dort in den Winkeln miteinander sprachen. Allein saß der Leutnant in einem abgelegenen Zimmer. Die große, bauchige Flasche stand zu seinen Füßen, treu und halb geleert. Sie sah neben dem schmalen und zusammengesunkenen Trinker allzu mächtig aus, beinahe, als könnte sie den Trinker verschlingen. Der Bezirkshauptmann stellte sich vor dem Leutnant auf, die Spitzen seiner schmalen Stiefel 146
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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