Page - 157 - in Radetzkymarsch
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Brodnitzer meinte: »Herr Hauptmann, gebieten Sie nach Belieben über
meine Unterschrift!«
»Ja«, sagte der Hauptmann, »wer gibt so viel auf Ihre Unterschrift?«
Brodnitzer dachte eine Weile nach: »Herr Kapturak!«
Kapturak erschien und sagte: »Es handelt sich also um zweitausend
Kronen. Rückzahlbar?«
»Keine Ahnung!«
»Viel Geld, Herr Hauptmann!«
»Ich geb’s wieder!« erwiderte der Hauptmann.
»Wie, in welchen Raten? Sie wissen, daß man nur ein Drittel von der Gage
pfänden darf. Ferner, daß alle Herren bereits engagiert sind. Ich sehe keine
Möglichkeit!«
»Herr Brodnitzer – –«, begann der Hauptmann.
»Herr Brodnitzer« – begann Kapturak, als wäre Brodnitzer gar nicht
anwesend – »ist mir auch viel Geld schuldig. Ich könnte die gewünschte
Summe hergeben, wenn jemand von Ihren Kameraden, der noch nicht
engagiert ist, einspringen wollte, zum Beispiel der Herr Leutnant Trotta. Er
kommt von der Kavallerie, er hat ein Pferd!« »Gut«, sagte der Hauptmann.
»Ich werde mit ihm sprechen.« Und er weckte den Leutnant Trotta.
Sie standen im langen, schmalen, dunklen Korridor des Hotels.
»Unterschreib schnell!« flüsterte der Hauptmann. »Dort warten sie. Sie sehen,
daß du nicht magst!« – Trotta unterschrieb.
»Komm sofort herunter!« sagte Wagner. »Ich erwarte dich!«
An der kleinen Tür im Hintergrund, durch welche die ständigen Mieter des
Hotels das Kaffeehaus zu betreten pflegten, blieb Carl Joseph stehen. Er sah
zum erstenmal den neueröffneten Spielsaal Brodnitzers.
Er sah zum erstenmal einen Spielsaal überhaupt. Rings um den
Roulettetisch war ein dunkelgrüner Vorhang aus Rips gezogen. Hauptmann
Wagner lüpfte den Vorhang und glitt hinüber in eine andere Welt. Carl Joseph
hörte das weiche, samtene Surren der Kugel. Er wagte nicht, den Vorhang zu
heben. Am andern Ende des Cafés, neben dem Straßeneingang, stand das
Podium, und auf dem Podium wirbelte die unermüdliche »Nachtigall aus
Mariahilf«. An den Tischen spielte man. Die Karten fielen mit klatschenden
Schlägen auf den falschen Marmor. Die Menschen stießen unverständliche
Rufe aus. Sie sahen aus wie Uniformierte, alle in weißen Hemdsärmeln, ein
sitzendes Regiment von Spielern. Die Röcke hingen über den Lehnen der
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Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik