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Radetzkymarsch
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Der Hauptmann verfluchte seine Gage. Sie war so schäbig, daß sie ihm nicht erlaubte, »menschenwürdig« zu spielen. Jetzt, wie sie so gerührt nebeneinandersaßen, alle Welt ringsum vergessen hatten, aber überzeugt waren, sie wären von aller Welt ringsum vergessen worden, glaubte der Hauptmann endlich sagen zu können: »Verkauf mir dein Pferd!« »Ich schenk’s dir«, sagte Trotta gerührt. Ein Geschenk darf man nicht verkaufen, auch nicht vorübergehend, dachte der Hauptmann und sagte: »Nein, verkaufen!« »Nimm’s dir!« flehte Trotta. »Ich zahl’s«, beharrte der Hauptmann. Sie stritten so einige Minuten. Schließlich erhob sich der Hauptmann, taumelte ein wenig und schrie: »Ich befehle Ihnen, es mir zu verkaufen!« »Jawohl, Herr Hauptmann!« sagte Trotta mechanisch. »Ich hab’ aber kein Geld!« lallte der Hauptmann, setzte sich und wurde wieder gütig. »Das macht nichts! Ich schenk dir’s.« »Nein, justament nicht! Ich will’s auch gar nicht mehr kaufen. Wenn ich nur Geld hätte!« »Ich kann’s einem andern verkaufen!« sagte Trotta. Er leuchtete vor Freude über diesen ungewöhnlichen Einfall. »Famos!« rief der Hauptmann. »Aber wem?« »Chojnicki zum Beispiel!« »Famos!« wiederholte der Hauptmann. »Ich bin ihm fünfhundert Kronen schuldig!« »Ich übernehme sie!« sagte Trotta. Weil er getrunken hatte, war sein Herz erfüllt von Mitleid für den Hauptmann. Dieser arme Kamerad mußte gerettet werden! Er befand sich in großer Gefahr. Er war ihm ganz vertraut und nahe, der liebe Hauptmann Wagner. Außerdem hält es der Leutnant in dieser Stunde für unumgänglich notwendig, ein gutes, tröstliches, vielleicht auch ein großes Wort zu sagen und eine hilfreiche Tat zu vollbringen. Edelmut, Freundschaft und das Bedürfnis, sehr stark und hilfreich zu erscheinen, rannen in seinem Herzen zusammen, gleich drei warmen Strömen. Trotta erhebt sich. Der Morgen ist angebrochen. Nur einige Lampen brennen noch, schon ermattet vor dem Hellgrau des Tages, der übermächtig durch die Jalousien eindringt. Außer Herrn Brodnitzer und seinem einzigen Kellner ist kein Mensch mehr im Lokal. Trostlos und verraten stehen Tische und Stühle und das Podium, auf dem die »Nachtigall aus Mariahilf« während der Nacht herumgehüpft ist. Alles Wüste ringsum weckt schreckliche Bilder von einem plötzlichen Aufbruch, der hier stattgefunden haben kann, als hätten die Gäste, von einer Gefahr überrascht, in hellen Scharen das Café auf einmal verlassen. Lange Zigarettenmundstücke aus Pappe wimmeln in Haufen auf dem Boden neben kurzen Stummeln von Zigarren. Es sind Überreste russischer Zigaretten und österreichischer Zigarren, und sie verraten, daß hier Gäste aus dem fremden Lande mit Einheimischen gespielt und getrunken haben. 161
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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