Page - 163 - in Radetzkymarsch
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Kameraden gebürgt. Eine große Summe. Außerdem hat er noch in dieser
Nacht eine kleinere verloren. Ich will nicht, daß er diesem Cafetier schuldig
bleibt. Es ist unmöglich, daß ich leihe. Ja«, wiederholte der Leutnant, »es ist
einfach unmöglich. Der Betreffende ist Ihnen schon Geld schuldig.«
»Aber er geht Sie nichts an!« sagte Chojnicki. »In diesem Zusammenhang
geht er Sie gar nichts an. Sie werden mir nächstens zurückzahlen. Es ist eine
Kleinigkeit! Sehen Sie, ich bin reich, man nennt das reich. Ich habe keine
Beziehung zum Geld. Wenn Sie mich um einen Schnaps bitten, es ist genau
das gleiche. Sehen Sie doch, was für Umstände! Sehen Sie«, und Chojnicki
streckte die Hand gegen den Horizont aus und beschrieb einen Halbkreis,
»alle diese Wälder gehören mir. Es ist ganz unwichtig, nur, um Ihnen
Gewissensbisse zu ersparen. Ich bin jedem dankbar, der mir etwas abnimmt.
Nein, lächerlich, es spielt keine Rolle, es ist schade, daß wir so viele Worte
verlieren. Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Ich kaufe Ihr Pferd und lasse es
Ihnen ein Jahr. Nach einem Jahr gehört es mir.«
Es ist deutlich, daß Chojnicki ungeduldig wird. Übrigens muß das Bataillon
bald ausrücken. Die Sonne steigt rastlos höher. Der volle Tag ist da.
Trotta hastete der Kaserne zu. In einer halben Stunde war das Bataillon
gestellt. Er hatte keine Zeit mehr, sich zu rasieren. Major Zoglauer kam gegen
elf Uhr. (Er liebte keine unrasierten Zugskommandanten. Das einzige, worauf
er im Laufe der Jahre, in denen er Grenzdienst tat, noch acht zu geben gelernt
hatte, waren »Sauberkeit und Adjustierung im Dienst«.) Nun, es war zu spät!
Man lief in die Kaserne. Man war wenigstens nüchtern geworden. Man traf
Hauptmann Wagner vor versammelter Kompanie. »Ja, erledigt!« sagte man
hastig, und man stellte sich vor seinen Zug. Und man kommandierte:
»Doppelreihen, rechts um. Marsch!« Der Säbel blitzte. Die Trompeten
bliesen. Das Bataillon rückte aus.
Hauptmann Wagner bezahlte heute die sogenannte »Erfrischung« in der
Grenzschenke. Man hatte eine halbe Stunde Zeit, zwei, drei Neunziggrädige
zu trinken. Hauptmann Wagner wußte ganz genau, daß er angefangen hatte,
sein Glück in die Hand zu bekommen. Er lenkte es jetzt ganz allein! Heute
nachmittag zweitausendfünfhundert Kronen! Man gab fünfzehnhundert sofort
zurück und setzte sich, ganz ruhig, ganz sorglos, ganz wie ein reicher Mann
zum Bakkarat! Man übernahm die Bank! Man mischte selbst! Und zwar mit
der linken Hand! Vielleicht bezahlte man vorläufig nur tausend und setzte
sich mit ganzen fünfzehnhundert, ganz ruhig, ganz sorglos, ganz wie ein
reicher Mann zum Spiel, und zwar mit fünfhundert zum Roulette und mit
tausend zum Bak! Das wäre noch besser! »Anschreiben für Hauptmann
Wagner!« rief er zum Schanktisch. Und man erhob sich, die Rast war beendet,
und die »Feldübungen« sollten beginnen.
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Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik