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Radetzkymarsch
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Sie hatten einander nichts mehr zu sagen. Ein paarmal machte Trotta den Versuch, eine Frage zu tun. Wagner bat mit ausgestreckter Hand und gleichsam ausgestreckten Augen um Stille. Dann erhob er sich. Er ordnete seine Uniform. Er sah ein, daß sein Leben keinen Zweck mehr hatte. Er ging jetzt hin, um endlich Schluß zu machen. »Leb wohl!« sagte er feierlich – und ging. Draußen aber umfächelte ihn ein gütiger, schon sommerlicher Abend mit hunderttausend Sternen und hundert Wohlgerüchen. Es war schließlich leichter, nie mehr zu spielen, als nie mehr zu leben. Und er gab sich sein Ehrenwort, daß er nie mehr spielen würde. Lieber verrecken als eine Karte anrühren. Nie mehr! Nie mehr war eine lange Zeit, man kürzte sie ab. Man sagte sich: bis zum 31. August kein Spiel! Dann wird man ja sehen! Also, Ehrenwort, Hauptmann Wagner! Und mit frisch gesäubertem Gewissen, stolz auf seine Festigkeit und froh über das Leben, das er sich soeben selbst gerettet hat, geht der Hauptmann Wagner zu Chojnicki. Chojnicki steht an der Tür. Er kennt den Hauptmann lange genug, um auf den ersten Blick zu sehen, daß Wagner viel verloren und wieder einmal den Entschluß gefaßt hat, kein Spiel mehr anzurühren. Und er ruft: »Wo haben Sie den Trotta gelassen?« »Nicht gesehn!« »Alles?« Der Hauptmann senkt den Kopf, schaut auf seine Stiefelspitzen und sagt: »Ich habe mein Ehrenwort gegeben –«»Ausgezeichnet!« sagt Chojnicki, »es ist Zeit!« Er ist entschlossen, den Leutnant Trotta von der Freundschaft mit dem irrsinnigen Wagner zu befreien. Weg mit ihm! denkt Chojnicki. Man wird ihn vorläufig für ein paar Tage in Urlaub schicken, mit Wally! Und er fährt in die Stadt. »Ja!« sagt Trotta ohne Zögern. Er hat Angst vor Wien und vor der Reise mit einer Frau. Aber er muß fahren. Er empfindet jene ganz bestimmte Bedrängnis, die ihn vor jeder Veränderung seines Lebens regelmäßig befallen hat. Er fühlt, daß ihn eine neue Gefahr bedroht, die größte der Gefahren, die es geben kann, nämlich eine, nach der er sich selbst gesehnt hat. Er wagt nicht zu fragen, wer die Frau sei. Viele Gesichter fremder Frauen, blaue, braune und schwarze Augen, blonde Haare, schwarze Haare, Hüften, Brüste und Beine, Frauen, die er vielleicht einmal gestreift hat, als Knabe, als Jüngling; alle schweben hurtig an ihm vorbei; alle auf einmal: ein wunderbarer, zarter Sturm von fremden Frauen. Er riecht den Duft der Unbekannten; er spürt die kühle und harte Zartheit ihrer Knie; schon liegt um seinen Hals das süße Joch 165
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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