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Radetzkymarsch
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den andern. Man kannte die Jungen und die Alten, die guten Reiter und die schlechten, die Galanten und die Spieler, die Flotten, die Ehrgeizigen, die Günstlinge, die Erben einer uralten, durch die Überlieferung geheiligten sprichwörtlichen und allseits verehrten Dummheit und auch die Klugen, die morgen an die Macht kommen sollten. Man hörte nur ein zartes Geräusch wohlerzogener Gabeln und Löffel und an den Tischen jenes lächelnde Geflüster der Essenden, das lediglich der Angesprochene hört und das der kundige Nachbar ohnehin errät. Von den weißen Tischtüchern kam ein friedlicher Glanz, durch die hohen, verhangenen Fenster strömte ein verschwiegener Tag, aus den Flaschen rann der Wein mit zärtlichem Gurren, und wer einen Kellner rufen wollte, brauchte nur die Augen zu erheben. Denn man vernahm in dieser gesitteten Stille den Aufschlag eines Augenlides wie anderswo einen Ruf. Ja, so begann das, was er »das Leben« nannte und was zu jener Zeit vielleicht auch das Leben war: die Fahrt im glatten Wagen zwischen den dichten Gerüchen des gereiften Frühlings, an der Seite einer Frau, von der man geliebt wurde. Jeder ihrer zärtlichen Blicke schien ihm seine junge Überzeugung zu rechtfertigen, daß er ein ausgezeichneter Mann sei von vielen Tugenden und sogar ein »famoser Offizier« in dem Sinne, in dem man innerhalb der Armee diese Bezeichnung anwandte. Er erinnerte sich, daß er fast sein ganzes Leben traurig gewesen war, scheu, man konnte schon sagen: verbittert. Aber so, wie er sich jetzt zu kennen glaubte, begriff er nicht mehr, warum er traurig, scheu und verbittert gewesen war. Der Tod in der Nähe hatte ihn erschreckt. Aber auch aus den wehmütigen Gedanken, die er jetzt Katharina und Max Demant nachsandte, bezog er noch einen Genuß. Er hatte seiner Meinung nach Hartes durchgemacht. Er verdiente die zärtlichen Blicke einer schönen Frau. Er sah sie von Zeit zu Zeit dennoch ein wenig ängstlich an. War’s nicht eine Laune von ihr, ihn mitzunehmen wie einen Knaben und ihm ein paar gute Tage zu bereiten? Das konnte man sich nicht gefallen lassen. Er war, wie es bereits feststand, ein ganz famoser Mensch, und wer ihn liebte, mußte ihn ganz lieben, ehrlich und bis in den Tod, wie die arme Katharina. Und wer weiß, wie viele Männer dieser schönen Frau einfielen, während sie ihn ganz allein zu lieben glaubte oder zu lieben vorgab?! War er eifersüchtig? Gewiß, er war eifersüchtig! Und auch ohnmächtig, wie ihm gleich darauf einfiel. Eifersüchtig und ohne jedes Mittel, hierzubleiben oder mit der Frau weiterzufahren, sie zu behalten, solange ihm beliebte, und sie zu erforschen und sie zu gewinnen. Ja, er war ein kleiner, armer Leutnant, mit fünfzig Kronen monatlicher Rente vom Vater, und er hatte Schulden … »Spielt ihr in eurer Garnison?« fragte Frau von Taußig plötzlich. »Die Kameraden«, sagte er. »Hauptmann Wagner zum Beispiel. Er verliert enorm!« 174
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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