Page - 175 - in Radetzkymarsch
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»Und du?«
»Gar nicht!« sagte der Leutnant. Er wußte in diesem Augenblick, auf
welche Weise man mächtig werden konnte. Er empörte sich gegen sein
mäßiges Geschick. Er wünschte sich ein glanzvolles. Wenn er Staatsbeamter
geworden wäre, hätte er vielleicht Gelegenheit gehabt, einige seiner geistigen
Tugenden, die er gewiß besaß, nützlich anzuwenden, Karriere zu machen.
Was war ein Offizier im Frieden?! Was hatte der Held von Solferino selbst im
Krieg und durch seine Tat gewonnen?!
»Daß du nur nicht spielst!« sagte Frau von Taußig. »Du siehst nicht aus wie
einer, der Glück im Spiel hat!«
Er war gekränkt. Sofort faßte ihn die Begierde, zu beweisen, daß er Glück
habe, überall! Er begann, geheime Pläne zu brüten, für heute, jetzt, für diese
Nacht. Seine Umarmungen waren gleichsam vorläufige Umarmungen, Proben
einer Liebe, die er morgen geben wollte als ein Mann, nicht nur
ausgezeichnet, sondern auch mächtig. Er dachte an die Zeit, sah auf die Uhr
und überlegte schon eine Ausflucht, um nicht zu spät fortzukommen. Frau
Wally schickte ihn selbst weg. »Es wird spät, du mußt gehen!« »Morgen
vormittag!« »Morgen vormittag!«
Der Hotelportier nannte einen Spielsaal in der Nähe. Man begrüßte den
Leutnant mit geschäftiger Höflichkeit. Er sah ein paar höhere Offiziere und
blieb vor ihnen in der vorgeschriebenen Erstarrung stehen. Lässig winkten sie
ihm zu, verständnislos starrten sie ihn an, als begriffen sie überhaupt nicht,
daß man sie militärisch behandle; als wären sie längst nicht mehr Angehörige
der Armee und nur noch nachlässige Träger ihrer Uniformen; und als weckte
dieser ahnungslose Neuling in ihnen eine sehr ferne Erinnerung an eine sehr
ferne Zeit, in der sie noch Offiziere gewesen waren. Sie befanden sich in einer
anderen, vielleicht in einer geheimeren Abteilung ihres Lebens, und nur noch
ihre Kleider und Sterne erinnerten an ihr gewöhnliches, alltägliches Leben,
das morgen mit dem anbrechenden Tag wieder beginnen würde. Der Leutnant
überzählte seine Barschaft, sie betrug hundertundfünfzig Kronen. Er legte,
wie er es beim Hauptmann Wagner gesehen hatte, fünfzig Kronen in die
Tasche, den Rest in das Zigarettenetui. Eine Weile saß er an einem der beiden
Roulettetische, ohne zu setzen – Karten kannte er zu wenig, und er wagte sich
nicht an sie. Er war ganz ruhig und über seine Ruhe erstaunt. Er sah die roten,
weißen, blauen Häufchen der Spielmarken kleiner werden, größer werden,
hierhin und dorthin rücken. Aber es fiel ihm nicht ein, daß er eigentlich
gekommen war, um sie alle an seinen Platz wandern zu sehen. Er entschloß
sich endlich zu setzen, und es war nur wie eine Pflicht. Er gewann. Er setzte
die Hälfte des Gewinstes und gewann noch einmal. Er sah nicht nach den
Farben und nicht nach den Zahlen. Er setzte gleichmütig irgendwohin. Er
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Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik