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Radetzkymarsch
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gewann. Er setzte den ganzen Gewinn. Er gewann zum viertenmal. Ein Major gab ihm einen Wink. Trotta stand auf. Der Major: »Sie sind zum erstenmal hier. Sie haben tausend Kronen gewonnen. Es ist besser, Sie gehn gleich!« »Jawohl, Herr Major!« sagte Trotta und ging gehorsam. Als er die Marken eintauschte, tat es ihm leid, daß er dem Major gehorcht hatte. Er zürnte sich, weil er imstande war, jedem Beliebigen zu gehorchen. Weshalb ließ er sich wegschicken? Und warum hatte er nicht mehr den Mut zurückzukehren? Er ging, unzufrieden mit sich und unglücklich über seinen ersten Gewinn. Es war schon spät und so still, daß man die Schritte einzelner Fußgänger aus entfernten Straßen hörte. An dem Streifen des Himmels über der schmalen, von hohen Häusern gesäumten Gasse zwinkerten fremd und friedlich die Sterne. Eine dunkle Gestalt bog um die Ecke und kam dem Leutnant entgegen. Sie schwankte, es war ein Betrunkener, ohne Zweifel. Der Leutnant erkannte ihn sofort: Es war der Maler Moser, der seine gewöhnliche Runde durch die nächtlichen Straßen der inneren Stadt machte, mit Mappe und Schlapphut. Er salutierte mit einem Finger und begann, seine Bilder anzubieten. »Lauter Mädchen in allen Positionen!« Carl Joseph blieb stehen. Er dachte, daß ihm das Schicksal selbst den Maler Moser entgegenschickte. Er wußte nicht, daß er seit Jahren jede Nacht um die gleiche Stunde den Professor in irgendeiner Gasse der inneren Stadt hätte treffen können. Er zog die aufgesparten fünfzig Kronen aus der Tasche und gab sie dem Alten. Er tat es, als hätte es ihm jemand lautlos geboten; wie man einen Befehl vollführt. So wie er, so wie er, dachte er, er ist ganz glücklich, er hat ganz recht! Er erschrak über seinen Einfall. Er suchte nach den Gründen, denen zufolge der Maler Moser recht haben sollte, fand keine, erschrak noch mehr und verspürte schon den Durst nach Alkohol, den Durst der Trinker, der ein Durst der Seele und des Körpers ist. Plötzlich sieht man wenig wie ein Kurzsichtiger, hört schwach wie ein Schwerhöriger. Man muß sofort, auf der Stelle, ein Glas trinken. Der Leutnant kehrte um, hielt den Maler Moser auf und fragte: »Wo können wir trinken?« Es gab ein nächtliches Gasthaus, nicht weit von der Wollzeile. Dort bekam man Sliwowitz, leider war er fünfundzwanzig Prozent schwächer als der Neunziggrädige. Der Leutnant und der Maler setzten sich und tranken. Allmählich wurde es Trotta klar, daß er längst nicht mehr der Meister seines Glücks war, längst nicht mehr ein ausgezeichneter Mann von allerhand Tugenden. Arm und elend war er vielmehr und voller Wehmut über seinen Gehorsam gegenüber einem Major, der ihn verhindert hatte, Hunderttausende zu gewinnen. Nein! Fürs Glück war er nicht geschaffen! Frau von Taußig und der Major aus dem Spielsaal und überhaupt alle, alle machten sich über ihn lustig. Nur dieser eine, der Maler Moser (man konnte ihn schon ruhig einen Freund nennen) war aufrichtig, ehrlich und treu. Man sollte sich ihm zu 176
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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