Page - 176 - in Radetzkymarsch
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gewann. Er setzte den ganzen Gewinn. Er gewann zum viertenmal. Ein Major
gab ihm einen Wink. Trotta stand auf. Der Major: »Sie sind zum erstenmal
hier. Sie haben tausend Kronen gewonnen. Es ist besser, Sie gehn gleich!«
»Jawohl, Herr Major!« sagte Trotta und ging gehorsam. Als er die Marken
eintauschte, tat es ihm leid, daß er dem Major gehorcht hatte. Er zürnte sich,
weil er imstande war, jedem Beliebigen zu gehorchen. Weshalb ließ er sich
wegschicken? Und warum hatte er nicht mehr den Mut zurückzukehren? Er
ging, unzufrieden mit sich und unglücklich über seinen ersten Gewinn.
Es war schon spät und so still, daß man die Schritte einzelner Fußgänger
aus entfernten Straßen hörte. An dem Streifen des Himmels über der
schmalen, von hohen Häusern gesäumten Gasse zwinkerten fremd und
friedlich die Sterne. Eine dunkle Gestalt bog um die Ecke und kam dem
Leutnant entgegen. Sie schwankte, es war ein Betrunkener, ohne Zweifel. Der
Leutnant erkannte ihn sofort: Es war der Maler Moser, der seine gewöhnliche
Runde durch die nächtlichen Straßen der inneren Stadt machte, mit Mappe
und Schlapphut. Er salutierte mit einem Finger und begann, seine Bilder
anzubieten. »Lauter Mädchen in allen Positionen!« Carl Joseph blieb stehen.
Er dachte, daß ihm das Schicksal selbst den Maler Moser entgegenschickte.
Er wußte nicht, daß er seit Jahren jede Nacht um die gleiche Stunde den
Professor in irgendeiner Gasse der inneren Stadt hätte treffen können. Er zog
die aufgesparten fünfzig Kronen aus der Tasche und gab sie dem Alten. Er tat
es, als hätte es ihm jemand lautlos geboten; wie man einen Befehl vollführt.
So wie er, so wie er, dachte er, er ist ganz glücklich, er hat ganz recht! Er
erschrak über seinen Einfall. Er suchte nach den Gründen, denen zufolge der
Maler Moser recht haben sollte, fand keine, erschrak noch mehr und verspürte
schon den Durst nach Alkohol, den Durst der Trinker, der ein Durst der Seele
und des Körpers ist. Plötzlich sieht man wenig wie ein Kurzsichtiger, hört
schwach wie ein Schwerhöriger. Man muß sofort, auf der Stelle, ein Glas
trinken. Der Leutnant kehrte um, hielt den Maler Moser auf und fragte: »Wo
können wir trinken?«
Es gab ein nächtliches Gasthaus, nicht weit von der Wollzeile. Dort bekam
man Sliwowitz, leider war er fünfundzwanzig Prozent schwächer als der
Neunziggrädige. Der Leutnant und der Maler setzten sich und tranken.
Allmählich wurde es Trotta klar, daß er längst nicht mehr der Meister seines
Glücks war, längst nicht mehr ein ausgezeichneter Mann von allerhand
Tugenden. Arm und elend war er vielmehr und voller Wehmut über seinen
Gehorsam gegenüber einem Major, der ihn verhindert hatte, Hunderttausende
zu gewinnen. Nein! Fürs Glück war er nicht geschaffen! Frau von Taußig und
der Major aus dem Spielsaal und überhaupt alle, alle machten sich über ihn
lustig. Nur dieser eine, der Maler Moser (man konnte ihn schon ruhig einen
Freund nennen) war aufrichtig, ehrlich und treu. Man sollte sich ihm zu
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book Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik