Page - 182 - in Radetzkymarsch
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Wagner sagte: »Wenn morgen alles vorbei ist, kann er’s ja erzählen!« Und
alle schwiegen plötzlich.
»Wenn ich morgen erschlagen werde?« sagte der Leutnant Trotta zu
Hauptmann Wagner.
»Pfui, Teufel!« erwiderte der Hauptmann. »Ein ekelhafter Tod. Eine
ekelhafte Sache überhaupt! Dabei sind’s arme Teufel. Und vielleicht haben sie
am End’ recht!«
Es war dem Leutnant Trotta noch nicht eingefallen, daß es arme Kerle
seien und daß sie recht haben konnten. Die Bemerkung des Hauptmanns
erschien ihm nun trefflich, und er zweifelte nicht mehr daran, daß es arme
Teufel waren. Er trank also zwei Neunziggrädige und sagte: »Dann werd’ ich
also einfach nicht schießen lassen! Auch nicht mit gefälltem Bajonett
vorgehen! Die Gendarmerie soll selber da zuschaun, wie sie fertig wird.«
»Du wirst tun, was du mußt! Du weißt’s ja selbst!«
Nein! Carl Joseph wußte es nicht in diesem Augenblick. Er trank. Und er
geriet sehr schnell in jenen Zustand, in dem er sich alles nur Erdenkliche
zutrauen konnte. Gehorsamsverweigerung, Austritt aus der Armee und
gewinnreiches Hasardspiel. Auf seinen Wegen sollte kein Toter mehr liegen!
»Verlaß diese Armee!« hatte Doktor Max Demant gesagt. Lange genug war
der Leutnant ein Schwächling gewesen! Statt aus der Armee auszutreten,
hatte er sich an die Grenze transferieren lassen. Nun sollte alles ein Ende
haben. Man ließ sich nicht morgen zu einer Art gehobenem Wachmann
degradieren! Übermorgen wird man vielleicht Straßendienst machen und den
Fremden Auskünfte erteilen müssen! Lächerlich, dieses Soldatenspiel im
Frieden! Niemals wird es einen Krieg geben! Verfaulen wird man in den
Kantinen! Er aber, der Leutnant Trotta: Wer weiß, ob er nicht schon nächste
Woche um diese Stunde im »Süden« sitzen würde!
All das sagte er zu Hauptmann Wagner, eifrig, mit lauter Stimme. Ein paar
Kameraden umringten ihn und hörten zu. Einigen stand der Sinn durchaus
nicht nach Krieg. Die meisten wären mit allem zufrieden gewesen, wenn sie
etwas höhere Gagen, etwas bequemere Garnisonen und etwas schnellere
Avancements gehabt hätten. Manchen war Leutnant Trotta fremd und auch
ein wenig unheimlich vorgekommen. Er war ein Protektionskind. Er kam
eben von einem herrlichen Ausflug zurück. Wie? Und es paßte ihm nicht,
morgen auszurücken? Leutnant Trotta fühlte rings um sich eine feindselige
Stille. Zum erstenmal, seitdem er in der Armee diente, beschloß er, seine
Kameraden herauszufordern. Und da er wußte, was sie am bittersten kränken
mußte, sagte er: »Vielleicht lass’ ich mich in die Stabsschul’ schicken!«
Gewiß, warum nicht? sagten sich die Offiziere. Er war von der Kavallerie
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Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik