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Radetzkymarsch
Page - 184 -
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Gliedmaßen der Männer tote Bestandteile toter Maschinen waren, die gar nichts erzeugten. Der ganze Zug stand reglos, und alle Männer hielten den Atem an. Aber dem Leutnant Trotta, der soeben das wuchtige und finstere Schweigen der Arbeiter in der Schenke hinter seinem Rücken gespürt hatte, wurde es plötzlich klar, daß es zwei Arten von Stille geben könne. Und vielleicht, dachte er weiter, gab es mehrere Arten von Stille, wie es so viele Arten von Geräuschen gab. Niemand hatte den Arbeitern, als er die Schenke betrat, Vergatterung kommandiert. Dennoch waren sie auf einmal verstummt. Und aus ihrem Schweigen strömte ein finsterer und lautloser Haß, wie manchmal aus den trächtigen und unendlich schweigsamen Wolken die lautlose, elektrische Schwüle des noch vorhandenen Gewitters strömt. Leutnant Trotta lauschte. Aber aus dem toten Schweigen seines reglosen Zuges strömte gar nichts. Ein steinernes Gesicht stand neben dem andern. Die meisten erinnerten ein wenig an seinen Burschen Onufrij. Sie hatten breite Münder und schwere Lippen, die sich kaum schließen konnten, und schmale, helle Augen ohne Blicke. Und wie er so vor seinem Zuge stand, der arme Leutnant Trotta, überwölbt vom blauen Glanz des Frühsommertages, umschmettert von den Lerchen, umsirrt von den Grillen und mitten im Summen der Mücken, und dennoch die tote Schweigsamkeit seiner Soldaten stärker zu hören glaubte als alle Stimmen des Tages, überfiel ihn die Gewißheit, daß er nicht hierhergehöre. Wohin eigentlich sonst? fragte er sich, während der Zug auf seine weiteren Kommandos wartete. Wohin sonst gehöre ich? Nicht zu jenen, die dort in der Schenke sitzen! Nach Sipolje vielleicht? Zu den Vätern meiner Väter? Der Pflug gehört in meine Hand und nicht der Säbel? Und der Leutnant ließ seine Mannschaft in der reglosen Habt-acht- Stellung. »Ruht!« kommandierte er endlich. »Gewehr bei Fuß! Abtreten!« Und es war wie zuvor. Hinter den Gewehrpyramiden lagen die Soldaten. Von den fernen Feldern her kam der Gesang der Bäuerinnen. Und die Soldaten antworteten ihnen mit den gleichen Liedern. Aus der Stadt marschierte die Gendarmerie heran, drei verstärkte Wachtposten, begleitet vom Bezirkskommissär Horak. Leutnant Trotta kannte ihn. Er war ein guter Tänzer, schlesischer Pole, flott und bieder zu gleicher Zeit, und er erinnerte, ohne daß jemand seinen Vater gekannt hätte, dennoch an diesen. Und sein Vater war ein Briefträger gewesen. Heute trug er, wie es Vorschrift im Dienst war, die Uniform, schwarz-grün mit violetten Aufschlägen, und den Degen. Sein kurzer, blonder Schnurrbart leuchtete weizengolden, und von seinen rosigen, vollen Wangen duftete weithin der Puder. Er war fröhlich wie ein Sonntag und eine Parade. »Ich habe Auftrag«, sagte er zum Leutnant Trotta, »die Versammlung sofort aufzulösen. Dann sind 184
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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