Page - 187 - in Radetzkymarsch
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sehen, daß diesmal die Gewehrläufe gegen die Menge gerichtet waren. Eine
Sekunde später wußte er gar nichts mehr. Denn ein Teil der Menge, der zuerst
geflohen zu sein schien oder sich den Anschein gegeben hatte zu fliehen,
machte nur einen Umweg und kehrte im Lauf hinter dem Rücken der Jäger
wieder, so daß der Zug Leutnant Trottas zwischen die zwei Gruppen geriet.
Während die Jäger die zweite Salve abfeuerten, fielen Steine und genagelte
Latten auf ihre Rücken und Nacken. Und von einer dieser Waffen auf den
Kopf getroffen, sank Leutnant Trotta bewußtlos zu Boden. Man hieb noch mit
allerhand Gegenständen auf den Liegenden ein. Die Jäger schossen nun ohne
Kommando wahllos und nach allen Seiten gegen ihre Angreifer und zwangen
sie also zur Flucht. Das Ganze hatte kaum drei Minuten gedauert. Als sich die
Jäger unter dem Kommando des Unteroffiziers in Doppelreihen aufstellten,
lagen im Staub der Landstraße verwundete Soldaten und Arbeiter, und es
dauerte lange, ehe die Sanitätswagen kamen. Man brachte den Leutnant Trotta
ins kleine Garnisonspital, stellte einen Schädelbruch und einen Bruch des
linken Schlüsselbeins fest und befürchtete eine Gehirnentzündung. Ein
offenbar sinnloser Zufall hatte dem Enkel des Helden von Solferino eine
Verletzung am Schlüsselbein beschert. (Im übrigen hätte keiner von den
Lebenden, der Kaiser vielleicht ausgenommen, wissen können, daß die
Trottas ihren Aufstieg einer Schlüsselbeinverletzung des Helden von
Solferino zu verdanken haben.)
Drei Tage später kam in der Tat eine Gehirnentzündung. Und man hätte
gewiß den Bezirkshauptmann verständigt, wenn der Leutnant noch am Tage
seiner Einlieferung in das Garnisonspital und nachdem er aus seiner
Bewußtlosigkeit erwacht war, den Major nicht dringlichst gebeten hätte, dem
Vater auf keinen Fall Mitteilung von dem Ereignis zu machen. Zwar war der
Leutnant jetzt wieder ohne Bewußtsein, und es war sogar Anlaß genug
vorhanden, für sein Leben zu fürchten; aber der Major beschloß trotzdem,
noch zu warten. So kam es, daß der Bezirkshauptmann erst zwei Wochen
später von der Rebellion an der Grenze und von der unseligen Rolle erfuhr,
die sein Sohn gespielt hatte. Er erfuhr es zuerst aus den Zeitungen, in die es
durch die oppositionellen Politiker gekommen war. Denn die Opposition war
entschlossen, die Armee, das Jägerbataillon und insbesondere den Leutnant
Trotta, der den Befehl gegeben hatte zu feuern, für die Toten und Witwen und
Waisen verantwortlich zu machen. Und dem Leutnant drohte in der Tat eine
Art Untersuchung, das heißt: eine formal zur Beruhigung der Politiker
angestellte Untersuchung, ausgeführt von Militärbehörden, und eine
Veranlassung, den Angeklagten zu rehabilitieren und vielleicht sogar auf
irgendeine Weise auszuzeichnen. Immerhin war der Bezirkshauptmann
keineswegs beruhigt. Er telegraphierte sogar zweimal an seinen Sohn und
einmal an den Major Zoglauer. Dem Leutnant ging es damals bereits besser.
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Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik