Page - 190 - in Radetzkymarsch
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Trotta an Solferino gemahnte. Der Obersthofmeister wußte es. Aber er kam
erst um acht Uhr! Vielleicht aber wußte es auch dieser Leibdiener?
Und der Kaiser hielt inne, in seinem trippelnden Lauf, und fragte den
Diener:
»Sagen Sie mal: Kennen Sie den Namen Trotta?«
Der Kaiser hatte eigentlich du zu seinem Diener sagen wollen, wie er es oft
tat, aber es handelte sich diesmal um die Weltgeschichte, und er hatte sogar
Respekt vor jenen, die er um historische Ereignisse fragte.
»Trotta!« sagte der Leibdiener des Kaisers. »Trotta!«
Er war auch schon alt, der Diener, und er erinnerte sich ganz dunkel an ein
Lesebuchstück mit der Überschrift: »Die Schlacht bei Solferino«. Und
plötzlich erstrahlte die Erinnerung auf seinem Angesicht wie eine Sonne.
»Trotta!« rief er, »Trotta! Der hat Majestät das Leben gerettet!«
Der Kaiser trat an den Schreibtisch. Durch das offene Fenster des
Arbeitszimmers drang der Jubel der morgendlichen Vögel von Schönbrunn.
Es schien dem Kaiser, daß er wieder jung sei, und er hörte das Knattern der
Gewehre, und er glaubte sich an der Schulter ergriffen und zu Boden gerissen.
Und auf einmal war ihm auch der Name Trotta sehr vertraut, genau wie der
Name Solferino.
»Ja, ja«, sagte der Kaiser und winkte mit der Hand und schrieb an den
Rand der Trottaschen Akten: »Günstig erledigen!«
Dann erhob er sich wieder und ging zum Fenster. Die Vögel jubelten; und
der Alte lächelte ihnen zu, als ob er sie sähe.
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Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik