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Radetzkymarsch
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wenig nervös. »Wie heißen S’ denn?« fragte der Kaiser. Der Friseur – er hatte die Charge eines Korporals, obwohl er erst ein halbes Jahr bei der Landwehr Soldat war, aber er bediente seinen Obersten tadellos und erfreute sich aller Gunst seiner Vorgesetzten – sprang mit einem Satz bis zur Tür, elegant wie es sein Metier erforderte, aber auch militärisch, es war ein Sprung, eine Verneigung und eine Erstarrung gleichzeitig, und der Kaiser nickte wohlgefällig. »Hartenstein!« rief der Friseur. »Warum springen S’ denn so?« fragte Franz Joseph. Aber er erhielt keine Antwort. Der Korporal näherte sich wieder zaghaft dem Kaiser und vollendete sein Werk mit eiligen Händen. Er wünschte sich weit fort und wieder im Lager zu sein. »Bleiben S’ noch!« sagte der Kaiser. »Ach, Sie sind Korporal! Dienen S’ schon lang?« »Ein halbes Jahr, Majestät!« hauchte der Friseur. »So, so! Schon Korporal? Zu meiner Zeit«, sagte der Kaiser, wie etwa ein Veteran gesagt hätte, »ist’s nie so fix gegangen! Aber, Sie sind auch ein ganz fescher Soldat. Wollen S’ beim Militär bleiben?« – Der Friseur Hartenstein besaß Weib und Kind und einen guten Laden in Olmütz und hatte schon ein paarmal versucht, einen Gelenkrheumatismus zu simulieren, um recht bald entlassen zu werden. Aber er konnte dem Kaiser nicht nein sagen. »Jawohl, Majestät«, sagte er und wußte in diesem Augenblick, daß er sein ganzes Leben verpatzt hatte. – »Na, dann is gut. Dann sind Sie Feldwebel! Aber sind S’ nicht so nervös!« So. Jetzt hatte der Kaiser einen glücklich gemacht. Er freute sich. Er freute sich. Er freute sich. Er hatte ein großartiges Werk an diesem Hartenstein vollbracht. Jetzt konnte der Tag beginnen. Sein Wagen wartete schon. Man fuhr langsam zur griechischen Kirche, den Hügel hinan, auf dessen Gipfel sie stand. Ihr goldenes, doppeltes Kreuz funkelte in der morgendlichen Sonne. Die Militärkapellen spielten »Gott erhalte«. Der Kaiser stieg aus und betrat die Kirche. Er kniete vor dem Altar, bewegte die Lippen, aber er betete nicht. Er mußte die ganze Zeit an den Friseur denken. Der Allmächtige konnte dem Kaiser nicht so plötzliche Gunstbezeugungen erweisen wie der Kaiser einem Korporal, und es war schade darum. König von Jerusalem: Es war die höchste Charge, die Gott einer Majestät verleihen konnte. Und Franz Joseph war bereits König von Jerusalem! Schade, dachte der Kaiser. Jemand flüsterte ihm zu, daß draußen im Dorf noch die Juden auf ihn warteten. Man hatte die Juden vollkommen vergessen. Ach, noch diese Juden! dachte der Kaiser bekümmert. Gut! Mochten sie kommen! Aber man mußte sich eilen. Sonst kam man zu spät zum Gefecht. Der griechische Priester absolvierte die Messe in größter Hast. Noch einmal intonierten die Musikkapellen das »Gott erhalte«. Der Kaiser kam aus der Kirche. Es war neun Uhr vormittag. Das Gefecht begann neun Uhr zwanzig. Franz Joseph beschloß, jetzt schon sein Pferd zu besteigen, nicht mehr den Wagen. Diese Juden konnte man auch zu Pferd empfangen. Er ließ 196
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Ă–sterreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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