Page - 196 - in Radetzkymarsch
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wenig nervös. »Wie heißen S’ denn?« fragte der Kaiser. Der Friseur – er hatte
die Charge eines Korporals, obwohl er erst ein halbes Jahr bei der Landwehr
Soldat war, aber er bediente seinen Obersten tadellos und erfreute sich aller
Gunst seiner Vorgesetzten – sprang mit einem Satz bis zur Tür, elegant wie es
sein Metier erforderte, aber auch militärisch, es war ein Sprung, eine
Verneigung und eine Erstarrung gleichzeitig, und der Kaiser nickte
wohlgefällig. »Hartenstein!« rief der Friseur. »Warum springen S’ denn so?«
fragte Franz Joseph. Aber er erhielt keine Antwort. Der Korporal näherte sich
wieder zaghaft dem Kaiser und vollendete sein Werk mit eiligen Händen. Er
wünschte sich weit fort und wieder im Lager zu sein. »Bleiben S’ noch!«
sagte der Kaiser. »Ach, Sie sind Korporal! Dienen S’ schon lang?« »Ein
halbes Jahr, Majestät!« hauchte der Friseur. »So, so! Schon Korporal? Zu
meiner Zeit«, sagte der Kaiser, wie etwa ein Veteran gesagt hätte, »ist’s nie so
fix gegangen! Aber, Sie sind auch ein ganz fescher Soldat. Wollen S’ beim
Militär bleiben?« – Der Friseur Hartenstein besaß Weib und Kind und einen
guten Laden in OlmĂĽtz und hatte schon ein paarmal versucht, einen
Gelenkrheumatismus zu simulieren, um recht bald entlassen zu werden. Aber
er konnte dem Kaiser nicht nein sagen. »Jawohl, Majestät«, sagte er und
wußte in diesem Augenblick, daß er sein ganzes Leben verpatzt hatte. – »Na,
dann is gut. Dann sind Sie Feldwebel! Aber sind S’ nicht so nervös!«
So. Jetzt hatte der Kaiser einen glĂĽcklich gemacht. Er freute sich. Er freute
sich. Er freute sich. Er hatte ein groĂźartiges Werk an diesem Hartenstein
vollbracht. Jetzt konnte der Tag beginnen. Sein Wagen wartete schon. Man
fuhr langsam zur griechischen Kirche, den HĂĽgel hinan, auf dessen Gipfel sie
stand. Ihr goldenes, doppeltes Kreuz funkelte in der morgendlichen Sonne.
Die Militärkapellen spielten »Gott erhalte«. Der Kaiser stieg aus und betrat
die Kirche. Er kniete vor dem Altar, bewegte die Lippen, aber er betete nicht.
Er mußte die ganze Zeit an den Friseur denken. Der Allmächtige konnte dem
Kaiser nicht so plötzliche Gunstbezeugungen erweisen wie der Kaiser einem
Korporal, und es war schade darum. König von Jerusalem: Es war die höchste
Charge, die Gott einer Majestät verleihen konnte. Und Franz Joseph war
bereits König von Jerusalem! Schade, dachte der Kaiser. Jemand flüsterte ihm
zu, daĂź drauĂźen im Dorf noch die Juden auf ihn warteten. Man hatte die
Juden vollkommen vergessen. Ach, noch diese Juden! dachte der Kaiser
bekĂĽmmert. Gut! Mochten sie kommen! Aber man muĂźte sich eilen. Sonst
kam man zu spät zum Gefecht.
Der griechische Priester absolvierte die Messe in größter Hast. Noch
einmal intonierten die Musikkapellen das »Gott erhalte«. Der Kaiser kam aus
der Kirche. Es war neun Uhr vormittag. Das Gefecht begann neun Uhr
zwanzig. Franz Joseph beschloĂź, jetzt schon sein Pferd zu besteigen, nicht
mehr den Wagen. Diese Juden konnte man auch zu Pferd empfangen. Er lieĂź
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Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Ă–sterreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik