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Radetzkymarsch
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immer wieder. Es freute ihn, daß die Leute glaubten, er wolle verstehen und könne nicht. Trottel! dachte er. Er schüttelte den Kopf. Aber die Leute meinten, er wackle mit dem Kopf, weil er ein Greis war. »So, so«, sagte der Kaiser immer wieder. Die Operationen waren schon ziemlich vorgeschritten. Der linke Flügel der Blauen, der heute etwa anderthalb Meilen hinter dem Dorf Z. stand, befand sich seit zwei Tagen fortwährend auf dem Rückzug vor der andringenden Kavallerie der Roten. Die Mitte hielt das Terrain um P. besetzt, ein hügelreiches Gelände, schwer anzugreifen, leicht zu verteidigen, aber auch der Gefahr ausgesetzt, umzingelt zu werden, wenn es gelang und darauf konzentrierte sich in dieser Stunde die Aufmerksamkeit der Roten –, den rechten und den linken Flügel der Blauen von der Mitte abzuschneiden. Während der linke Flügel im Zurückweichen begriffen war, wankte aber der rechte nicht, er stieß vielmehr noch langsam vor und zeigte die Tendenz, sich gleichzeitig dermaßen zu verlängern, daß man annehmen konnte, er wolle die Flanke des Feindes umklammern. Es war, nach der Meinung des Kaisers, eine recht banale Situation. Und wenn er an der Spitze der Roten gestanden wäre, hätte er den elanvollen Flügel der Blauen durch ein fortwährendes Zurückweichen so weit herangelockt und seine Stoßkraft so weit am äußersten Ende zu beschäftigen versucht, daß sich schließlich eine entblößte Stelle zwischen ihm und der Mitte hätte finden lassen. Aber er sagte nichts, der Kaiser. Ihn bekümmerte die ungeheuerliche Tatsache, daß der Oberst Lugatti, ein Triestiner und eitel, wie nach der unerschütterlichen Meinung Franz Josephs nur die Italiener sein konnten, seinen Mantelkragen hoch geschnitten trug, wie es nicht einmal Blusenkragen sein durften, und daß er, um seine Charge dennoch sehen zu lassen, diesen abscheulich hohen Mantelkragen auch kokett geöffnet hatte. »Sagen Sie, Herr Oberst«, fragte der Kaiser, »wo lassen Sie ihre Mäntel nähen? In Mailand? Ich hab’ leider die dortigen Schneider schon völlig vergessen.« Der Stabsoberst Lugatti schlug die Hacken zusammen und schloß seinen Mantelkragen. »Jetzt könnt’ man Sie für einen Leutnant halten«, sagte Franz Joseph. »Jung schauen S’ aus!« – Und er gab seinem Schimmel die Sporen und galoppierte dem Hügel zu, auf dem, ganz nach dem Muster der älteren Schlachten, die Generalität zu stehen hatte. Er war entschlossen, wenn es zu lange dauern sollte, die »Kampfhandlungen« abbrechen zu lassen – denn er sehnte sich nach der Defilierung. Der Franz Ferdinand machte es gewiß anders. Er nahm überhaupt Partei, stellte sich auf irgendeine Seite, begann zu befehligen und siegte natürlich immer. Wo gab es noch einen General, der den Thronfolger besiegt hätte? Der Kaiser ließ seine alten, blaßblauen Augen über die Gesichter schweifen. Lauter eitle Burschen! dachte er. Vor ein paar Jahren noch hätte er sich darüber ärgern können. Heute nicht mehr, heute nicht mehr! Er wußte nicht ganz genau, wie alt er war, aber er fühlte, wenn die andern ihn umgaben, daß er sehr alt sein mußte. Manchmal war es ihm, als schwebte er 198
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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