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Radetzkymarsch
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geschlungene Klammer unter der kurzen, breiten Nase lag, und die wohlgelungenen, schöngeformten, puppenhaft kleinen Ohren, die wie aus Porzellan gemacht waren, und das brave, sonnenblonde, in der Mitte gescheitelte Haar. »Fidel schaut er aus!« sagte Herr von Trotta zu Herrn Nechwal. »Sind Sie zufrieden?« fragte er dann den Jungen. »Offen gestanden, Herr Bezirkshauptmann«, erwiderte der Sohn des Kapellmeisters, »ist es etwas langweilig!« »Langweilig?« fragte Herr von Trotta, »in Wien?!« »Ja«, sagte der junge Nechwal, »langweilig! Schaun S’, Herr Bezirkshauptmann, wenn man in einer kleinen Garnison dient, dann kommt’s einem gar nicht zum Bewußtsein, daß man kein Geld hat!« Der Bezirkshauptmann fühlte sich gekränkt. Er fand, daß es sich nicht schickte, von Geld zu sprechen, und er fürchtete, daß der junge Nechwal auf die besseren finanziellen Verhältnisse Carl Josephs anspielen wollte. »Mein Sohn dient zwar an der Grenze«, sagte Herr von Trotta, »aber er ist immer gut ausgekommen. Auch bei der Kavallerie.« Er betonte dieses Wort. Es war ihm zum erstenmal peinlich, daß Carl Joseph die Ulanen verlassen hatte. Gewiß kamen derlei Nechwals bei der Kavallerie nicht vor! Und der Gedanke, daß der Sohn dieses Kapellmeisters sich etwa einbildete, dem jungen Trotta in irgendeiner Weise zu gleichen, verursachte dem Bezirkshauptmann fast körperliche Pein. Er beschloß, »den Musikanten« zu überführen. Er witterte geradezu Vaterlandsverrat in diesem Jungen, dessen Nase ihm »tschechisch« erschien. »Dienen Sie gern?« fragte der Bezirkshauptmann. »Offen gestanden«, sagte der Leutnant Nechwal, »ich könnt’ mir einen besseren Beruf vorstellen!« »Wieso denn? Einen besseren?« »Einen praktischeren!« sagte der junge Nechwal. »Ist es nicht praktisch, fürs Vaterland zu kämpfen?« fragte Herr von Trotta, »vorausgesetzt, daß man überhaupt praktisch veranlagt ist.« Es war deutlich, daß er das Wort »praktisch« in einer ironischen Weise betonte. »Aber wir kämpfen ja gar nicht«, entgegnete der Leutnant. »Und wenn wir einmal zum Kämpfen kommen, ist es vielleicht gar nicht so praktisch.« »Aber warum denn?« fragte der Bezirkshauptmann. »Weil wir bestimmt den Krieg verlieren«, sagte Nechwal, der Leutnant. »Es ist eine andere Zeit«, fügte er hinzu – und nicht ohne Bosheit, wie es Herrn von Trotta vorkam. Er kniff seine kleinen Augen zusammen, so daß sie beinahe ganz verschwanden, und in einer Art, die dem Bezirkshauptmann ganz unerträglich schien, entblößte seine Oberlippe das Zahnfleisch, der Schnurrbart berührte die Nase, und diese glich den breiten Nüstern irgendeines Tieres, nach der Meinung Herrn von Trottas. – Ein ganz widerlicher Bursche, dachte der Bezirkshauptmann. »Eine neue Zeit«, wiederholte der junge Nechwal. »Die vielen Völker halten nicht lange zusammen!« »So«, sagte der Bezirkshauptmann, »und woher wollen Sie das alles wissen, Herr Leutnant?« Und der Bezirkshauptmann wußte im gleichen Augenblick, daß sein Hohn stumpf war, und er fühlte sich selbst wie ein Veteran etwa, der seinen ungefährlichen, ohnmächtigen Säbel gegen einen 206
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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