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Radetzkymarsch
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»Ich habe übrigens meinem Sohn geschrieben«, begann er nach einer Weile. »Er mag tun, was ihm gefällt!« »Das scheint mir das Richtige!« sagte Doktor Skowronnek. »Man kann keine Verantwortung tragen! Kein Mensch darf für den andern eine Verantwortung tragen.« »Mein Vater hat sie für mich getragen«, sagte der Bezirkshauptmann, »mein Großvater für meinen Vater.« »Es war damals anders«, erwiderte Skowronnek. »Nicht einmal der Kaiser trägt heute die Verantwortung für seine Monarchie. Ja, es scheint, daß Gott selbst die Verantwortung für die Welt nicht mehr tragen will. Es war damals leichter! Alles war gesichert. Jeder Stein lag auf seinem Platz. Die Straßen des Lebens waren wohl gepflastert. Die sicheren Dächer lagen über den Mauern der Häuser. Aber heute, Herr Bezirkshauptmann, heute liegen die Steine auf den Straßen quer und verworren und in gefährlichen Haufen, und die Dächer haben Löcher, und in die Häuser regnet es, und jeder muß selber wissen, welche Straße er geht und in was für ein Haus er zieht. Wenn Ihr seliger Herr Vater gesagt hat, aus Ihnen würde kein Landwirt, sondern ein Beamter, so hat er recht gehabt. Sie sind ein musterhafter Beamter geworden. Aber als Sie Ihrem Sohn sagten, er solle Soldat werden, haben Sie unrecht gehabt. Er ist kein musterhafter Soldat!« »Ja, ja!« bestätigte Herr von Trotta. »Und deshalb soll man alles gehen lassen, jedes seinen eigenen Weg! Wenn mir meine Kinder nicht gehorchen, bemühe ich mich nur noch, nicht die Würde zu verlieren. Es ist alles, was man tun kann. Ich sehe sie mir manchmal an, wenn sie schlafen. Ihre Gesichter scheinen mir dann ganz fremd, kaum zu erkennen, und ich sehe, daß sie fremde Menschen sind, aus einer Zeit, die erst kommen wird und die ich nicht mehr erleben werde. Sie sind noch ganz jung, meine Kinder! Das eine ist acht, das andere zehn, und sie haben runde, rosige Gesichter im Schlaf. Dennoch ist sehr viel Grausames in diesen Gesichtern, wenn sie schlafen. Manchmal scheint es mir, daß es schon die Grausamkeit ihrer Zeit ist, der Zukunft, die im Schlaf über die Kinder kommt. Ich möchte nicht diese Zeit erleben!« »Ja, ja!« sagte der Bezirkshauptmann. Sie spielten noch eine Partie, aber diesmal verlor Herr von Trotta. »Ich werde kein Meister!« sagte er milde und gleichsam ausgesöhnt mit seinen Mängeln. Es war auch heute spät geworden, die grünlichen Gaslampen, die Stimmen der Stille, surrten schon, und das Kaffeehaus war leer. Sie gingen wieder durch den Park nach Hause. Heute war der Abend heiter, und heitere Spaziergänger begegneten ihnen. Sie sprachen über die häufigen Regen dieses 217
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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