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Radetzkymarsch
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unbezwinglichen Leidenschaft eines Forschers. Am Bettpfosten, hinter seinem Rücken, hing der Säbel, seine Waffe, der Gegenstand seiner militärischen und privaten Ehre und in diesem Augenblick merkwürdigerweise auch ein magisches Instrument, geeignet, das Gesetz unheimlicher Gespenster zu enthüllen. Er fühlte den blinkenden Säbel im Rücken und eine Art magnetischer Kraft, die von der Waffe ausging. Und, gleichsam von ihr angezogen, machte er rückwärts einen Satz, den Blick auf den fortwährend zerfallenden und sich wieder zusammensetzenden Kapturak gerichtet, ergriff mit der Linken die Waffe, zog mit der Rechten blitzschnell die Klinge, und während Kapturak einen Sprung zur Tür machte, die Mütze seinen Händen entfiel und vor den grauen Leinenschuhen liegenblieb, folgte ihm Trotta, den Säbel zückend. Und ohne daß der Leutnant wußte, was er tat, hielt er die Spitze der Klinge gegen die Brust des grauen Gespenstes, fühlte durch die ganze Länge des Stahls den Widerstand der Kleider und des Körpers, atmete auf, weil ihm endlich erwiesen schien, daß Kapturak ein Mensch war – und konnte dennoch nicht die Klinge sinken lassen. Es war nur ein Augenblick. Aber in diesem Augenblick hörte, sah und roch Leutnant Trotta alles, was in der Welt lebte, die Stimmen der Nacht, die Sterne am Himmel, das Licht der Lampe, die Gegenstände im Zimmer, seine eigene Gestalt, als trüge er sie nicht selbst, sondern als stünde sie vor ihm, den Tanz der Mücken um das Licht, den feuchten Dunst der Sümpfe und den kühlen Hauch des nächtlichen Windes. Auf einmal breitete Kapturak die Arme aus. Seine mageren, kleinen Hände krallten sich am linken und am rechten Türpfosten fest. Sein kahler Kopf mit den geringelten, grauen Härchen sank auf die Schulter. Gleichzeitig setzte er einen Fuß vor den andern und verschlang die lächerlichen, grauen Schuhe zu einem Knoten. Und hinter ihm, an der weißen Tür, erhob sich vor den erstarrten Augen Leutnant Trottas auf einmal schwarz und schwankend der Schatten eines Kreuzes. Trottas Hand zitterte und ließ die Klinge fallen. Mit einem leisen, klirrenden Wimmern fiel sie nieder. Im gleichen Augenblick ließ Kapturak die Arme sinken. Sein Kopf rutschte von der Schulter und fiel vornüber auf die Brust. Er hatte die Augen geschlossen. Seine Lippen zitterten. Sein ganzer Körper zitterte. Es war still. Man hörte das Flattern der Mücken um das Lampenlicht und durch das offene Fenster die Frösche, die Grillen und dazwischen das nahe Bellen eines Hundes. Leutnant Trotta wankte. Er kehrte um. »Setzen Sie sich!« sagte er und wies auf den einzigen Stuhl im Zimmer. »Ja«, sagte Kapturak, »ich will mich setzen!« Er ging munter an den Tisch, munter, als wenn nichts geschehen wäre, wie es Trotta vorkam. Seine Fußspitze berührte den Säbel am Boden. Er bückte sich und hob ihn auf. Als hätte er die Aufgabe, Ordnung im Zimmer zu 227
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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