Page - 239 - in Radetzkymarsch
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er wußte wohl, daß etwas Ungewöhnliches geschehen sein mußte, wenn der
Bezirkshauptmann ihn zu Hause aufsuchte.
Herr von Trotta gebrauchte eine ganze Anzahl umständlicher
Entschuldigungen, ehe er begann. Und er erzählte, sitzend auf der Bank im
kleinen Garten, den Kopf gesenkt und mit der Stockspitze stochernd im
bunten Kies des schmalen Pfades. Dann gab er den Brief seines Sohnes in
Skowronneks Hände. Dann schwieg er, hielt einen Seufzer zurück und atmete
tief.
»Meine Ersparnisse«, sagte Skowronnek, »betragen zweitausend Kronen,
ich stelle sie Ihnen zur Verfügung, Herr Bezirkshauptmann, wenn Sie mir
erlauben.« Er sagte diesen Satz sehr schnell, so, als fürchte er, der
Bezirkshauptmann könnte ihn unterbrechen, und aus Verlegenheit griff er
nach dem Stock Herrn von Trottas und begann selbst, im Kies
herumzustochern; denn es kam ihm vor, daß er nach diesem Satz nicht mehr
mit unbeschäftigten Händen dasitzen könne.
Herr von Trotta sagte: »Danke, Herr Doktor, ich nehme sie. Ich will Ihnen
einen Schuldschein geben. Ich zahle, wenn Sie erlauben, in Raten zurück.«
»Davon kann keine Rede sein!« sagte Skowronnek.
»Gut!« sagte der Bezirkshauptmann. Es kam ihm auf einmal unmöglich
vor, viele unnütze Worte zu sagen, wie er sie sein ganzes Leben lang aus
Höflichkeit Fremden gegenüber gebraucht hatte. Die Zeit drängte ihn
plötzlich. Die paar Tage, die er noch vor sich hatte, schrumpften auf einmal
zusammen und wurden ein Nichts.
»Der Rest«, fuhr Skowronnek fort, »der Rest kann nur durch Herrn von
Winternigg aufgetrieben werden. Sie kennen ihn?«
»Flüchtig.«
»Es bleibt nichts anderes übrig, Herr Bezirkshauptmann! Aber ich glaube,
Herrn von Winternigg zu kennen. Ich habe einmal seine Schwiegertochter
behandelt. Er ist, scheint mir, ein Unmensch, wie man so sagt. Und es könnte
sein, es könnte sein, Herr Bezirkshauptmann, daß Sie sich einen Refus
holen.«
Hierauf schwieg Skowronnek. Der Bezirkshauptmann nahm dem Doktor
wieder den Stock aus der Hand. Und es war ganz still. Man hörte nur das
Scharren der Stockspitze im Kies.
»Einen Refus!« flüsterte der Bezirkshauptmann. »Ich fürchte keinen«,
sagte er laut. »Aber was dann?«
»Dann«, sagte Skowronnek, »gibt es nur etwas Merkwürdiges, es geht mir
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Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik