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Radetzkymarsch
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Er ging zu Fuß, aufrecht, langsam, schimmernd in der ganzen Würde seines Silbers durch die lange Allee, die vom Hause Winterniggs zur Stadt führte. Die Allee war leer, die Spatzen hüpften über den Weg, und die Amseln pfiffen, und die alten, grünen Kastanien säumten den Weg des Herrn Bezirkshauptmanns. Zu Hause ergriff er nach langer Zeit wieder die silberne Tischglocke. Ihr dünnes Stimmchen lief hurtig durch das ganze Haus. »Meine Gnädigste«, sagte Herr von Trotta zu Fräulein Hirschwitz, »ich möchte meinen Koffer in einer halben Stunde gepackt sehen. Meine Uniform, mit Krappenhut und Degen, den Frack und die weiße Krawatte bitte! In einer halben Stunde!« Er zog die Uhr, hörbar klappte der Deckel auf. Er setzte sich in den Lehnstuhl und schloß die Augen. Im Schrank hing seine Paradeuniform, an fünf Haken: Frack, Weste, Hose, Krappenhut und Degen. Stück für Stück trat die Uniform aus dem Kasten, wie selbständig, und von den vorsichtigen Händen der Hausdame nicht getragen, sondern nur begleitet. Der große Koffer des Bezirkshauptmanns in der Schutzhülle aus braunem Leinen öffnete seinen Schlund, ausgestattet mit knisterndem Seidenpapier, und nahm Stück für Stück der Uniform auf. Der Degen ging gehorsam in sein ledernes Futteral. Die weiße Krawatte umhüllte sich mit einem zarten, papierenen Schleier. Die weißen Handschuhe betteten sich in das Unterfutter der Weste. Dann schloß sich der Koffer. Und Fräulein Hirschwitz ging hin und meldete, daß alles bereit sei. Und also fuhr der Herr Bezirkshauptmann nach Wien. Er kam spät am Abend an. Aber er wußte, wo die Männer zu finden waren, die er brauchte. Er kannte die Häuser, in denen sie wohnten, und die Lokale, in denen sie aßen. Und der Regierungsrat Smekal und der Hofrat Pollak und der Oberrechnungsrat Pollitzer und der Obermagistratsrat Busch und der Statthaltereirat Leschnigg und der Polizeirat Fuchs: sie alle und noch manche andere sahen an diesem Abend den sonderbaren Herrn von Trotta eintreten, und obwohl er genauso alt war wie sie, dachte doch jeder von ihnen bekümmert, wie alt der Bezirkshauptmann geworden sei. Denn er war viel älter als sie alle. Ja, ehrwürdig erschien er ihnen, und sie scheuten sich fast, ihm du zu sagen. Man sah ihn an diesem Abend an vielen Orten und beinahe gleichzeitig an allen auftauchen, und er erinnerte sie an einen Geist, an einen Geist der alten Zeit und der alten habsburgischen Monarchie; der Schatten der Geschichte. Und so merkwürdig das auch klang, was er ihnen anvertraute, nämlich sein Unterfangen, innerhalb von zwei Tagen eine Privataudienz beim Kaiser zu erwirken, viel merkwürdiger erschien er ihnen selbst, der Herr von Trotta, der früh Gealterte und gleichsam von Anbeginn Alte, und allmählich fanden sie sein Unternehmen gerecht und selbstverständlich. 242
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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