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Radetzkymarsch
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Gelegenheit, einen Csardas zu tanzen, zu dem er aus Rassegründen verpflichtet war, durch ein Gerücht verderben ließ. Er klemmte das Monokel fester, wie immer, wenn er national zu fühlen hatte, ähnlich wie ein Greis seinen Stock stärker faßt, wenn er eine Wanderung beginnt, und sagte in dem Deutsch der Ungarn, das wie eine Art weinerlichen Buchstabierens klang: »Herr von Babenhausen hat sehr recht! Sehr recht! Wann der Herr Thronfolger wirklich ermordet ist, so gibt es noch andere Thronfolger!« Herr von Sennyi, magyarischer von Geblüt als Herr von Nagy und von plötzlicher Angst erfaßt, ein Judenstämmling könnte ihn in ungarischer Gesinnung übertreffen, erhob sich und sagte: »Wann der Herr Thronfolger ermordet ist, so erstens wissen wir noch nichts Sicheres davon, zweitens geht uns das gar nichts an!« »Es geht uns etwas an«, sagte der Graf Benkyö, »aber er ist gar nicht ermordet. Es ist ein Gerücht!« Draußen rauschte der Regen mit steter Gewalt. Die blauweißen Blitze wurden immer seltener, der Donner entfernte sich. Oberleutnant Kinsky, an den Ufern der Moldau aufgewachsen, behauptete, der Thronfolger sei jedenfalls eine höchst unsichere Chance der Monarchie gewesen – vorausgesetzt, daß man das Wort »gewesen« überhaupt anwenden könne. Er selbst, der Oberleutnant, sei der Meinung seiner Vorredner: Die Ermordung des Thronfolgers müsse als ein falsches Gerücht aufgefaßt werden. Man sei hier so weit von dem angeblichen Tatort entfernt, daß man gar nichts kontrollieren könne. Und die volle Wahrheit würde man jedenfalls erst spät nach dem Fest erfahren. Der betrunkene Graf Battyanyi begann hierauf, sich mit seinen Landsleuten auf ungarisch zu unterhalten. Man verstand kein Wort. Die anderen blieben still, sahen die Sprechenden der Reihe nach an und warteten, immerhin ein wenig bestürzt. Aber die Ungarn schienen munter fortfahren zu wollen, den ganzen Abend; also mochte es ihre nationale Sitte heischen. Man bemerkte, obwohl man weit davon entfernt war, auch nur eine Silbe zu begreifen, an ihren Mienen, daß sie allmählich anfingen, die Anwesenheit der andern zu vergessen. Manchmal lachten sie gemeinsam auf. Man fühlte sich beleidigt, weniger, weil das Gelächter in dieser Stunde unpassend erschien, als weil man seine Ursache nicht feststellen konnte. Jelacich, ein Slowene, geriet in Zorn. Er haßte die Ungarn ebenso, wie er die Serben verachtete. Er liebte die Monarchie. Er war ein Patriot. Aber er stand da, die Vaterlandsliebe in ausgebreiteten, ratlosen Händen, wie eine Fahne, die man irgendwo anbringen muß und für die man keinen Dachfirst findet. Unmittelbar unter der ungarischen Herrschaft lebte ein Teil seiner Stammesgenossen, Slowenen und ihre Vettern, die Kroaten. Ganz Ungarn trennte den Rittmeister Jelacich von 263
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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