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Radetzkymarsch
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Silbermünzen, wenn er in die Stadt kam, am Donnerstag, zum Schweinemarkt, um Sattel, Kummet, Joch und Sensen einzukaufen, Schleifsteine, Sicheln, Harken und Samen. Wenn er zufällig einen Offizier vorbeigehen sah, senkte er den Kopf. Es war eine überflüssige Vorsicht. Sein Schnurrbart wuchs und wucherte, seine Bartstoppeln starrten hart, schwarz und dicht an seinen Wangen, man konnte ihn kaum erkennen. Schon bereitete man sich allenthalben für die Ernte vor, die Bauern standen vor den Hütten und schliffen die Sensen an den runden, ziegelroten Steinen. Überall im Land sirrte der Stahl an den Steinen und übertönte den Gesang der Grillen. In der Nacht hörte der Leutnant manchmal Musik und Lärm aus dem »neuen Schloß« Chojnickis. Er nahm diese Stimmen in seinen Schlaf hinüber wie das nächtliche Krähen der Hähne und das Gebell der Hunde bei Vollmond. Er war endlich zufrieden, einsam und still. Es war, als hätte er niemals ein anderes Leben geführt. Wenn er nicht schlafen konnte, erhob er sich, ergriff den Stock, ging durch die Felder, mitten durch den vielstimmigen Chor der Nacht, erwartete den Morgen, begrüßte die rote Sonne, atmete den Tau und den sachten Gesang des Windes, der den Tag verkündet. Er war frisch wie nach durchschlafenen Nächten. Jeden Nachmittag ging er durch die angrenzenden Dörfer. »Gelobt sei Jesus Christus!« sagten die Bauern. »In Ewigkeit. Amen!« erwiderte Trotta. Er ging wie sie, die Knie geknickt. So waren die Bauern von Sipolje gegangen. Eines Tages kam er durch das Dorf Burdlaki. Der winzige Kirchturm stand, ein Finger des Dorfes, gegen den blauen Himmel. Es war ein stiller Nachmittag. Die Hähne krähten schläfrig. Die Mücken tänzelten und summten die ganze Dorfstraße entlang. Plötzlich trat ein vollbärtiger, schwarzer Bauer aus seiner Hütte, stellte sich mitten in den Weg und grüßte: »Gelobt sei Jesus Christus!« »In Ewigkeit. Amen!« sagte Trotta und wollte weitergehen. »Herr Leutnant, hier ist Onufrij!« sagte der bärtige Bauer. Der Bart umhüllte sein Angesicht, ein gespreizter, schwarzer, dichtgefiederter Fächer. »Warum bist du desertiert?« sagte Trotta. »Bin nur nach Hause gegangen!« sagte Onufrij. Es hatte keinen Sinn, so törichte Fragen zu stellen. Man verstand Onufrij gut. Er hatte dem Leutnant gedient wie der Leutnant dem Kaiser. Es gab kein Vaterland mehr. Es zerbrach, es zersplitterte. »Hast du keine Angst?« fragte Trotta. Onufrij hatte keine Angst. Er wohnte bei seiner Schwester. Die Gendarmen gingen jede Woche durchs Dorf, ohne sich umzusehen. Es waren übrigens Ukrainer, Bauern wie Onufrij selbst. Wenn man beim Wachtmeister keine schriftliche Anzeige erstattete, brauchte er sich um nichts zu kümmern. In Burdlaki erstattete man keine Anzeigen. »Leb wohl, Onufrij!« sagte Trotta. Er ging die gebogene Straße hinauf, die 275
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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