Page - 276 - in Radetzkymarsch
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unversehens in die weiten Felder mündete. Bis zur Biegung folgte ihm
Onufrij. Er hörte den Schritt der genagelten Soldatenstiefel auf dem Schotter
des Weges. Die ärarischen Stiefel hatte Onufrij mitgenommen. Man ging zum
Juden Abramtschik in die Dorfschenke. Man bekam dort Kernseife, Schnaps,
Zigaretten, Knaster und Briefmarken. Der Jude hatte einen feuerroten Bart. Er
saß vor dem gewölbten Tor seiner Schenke und leuchtete weithin, über zwei
Kilometer der Landstraße. Wenn er einmal alt wird, dachte der Leutnant, ist er
ein weißbärtiger Jude wie der Großvater Max Demants.
Trotta trank einen Schnaps, kaufte Tabak und Briefmarken und ging. Von
Burdlaki führte der Weg an Oleksk vorbei, zum Dorfe Sosnow, dann zu
Bytók, Leschnitz und Dombrowa. Jeden Tag ging er diesen Weg. Zweimal
passierte er die Bahnstrecke, zwei schwarz-gelbe, verwaschene
Bahnschranken und die gläsernen, unaufhörlich klingenden Signale in den
Wächterhäuschen. Das waren die fröhlichen Stimmen der großen Welt, die
den Baron Trotta nicht mehr kümmerten. Ausgelöscht war die große Welt.
Ausgelöscht waren die Jahre beim Militär, als wäre man immer schon über
Felder und Landstraßen gegangen, den Stock in der Hand, niemals den Säbel
an der Hüfte. Man lebte wie der Großvater, der Held von Solferino, und wie
der Urgroßvater, der Invalide im Schloßpark von Laxenburg, und vielleicht
wie die namenlosen, unbekannten Ahnen, die Bauern von Sipolje. Immer den
gleichen Weg, an Oleksk vorbei, nach Sosnow, nach Bytók, nach Leschnitz
und Dombrowa. Diese Dörfer lagen im Kreis um Chojnickis Schloß, alle
gehörten ihm. Von Dombrowa führte ein weidenbestandener Pfad zu
Chojnicki. Es war noch früh. Schritt man stärker aus, so erreichte man ihn
noch vor sechs Uhr und traf keinen der früheren Kameraden. Trotta
verlängerte die Schritte. Jetzt stand er unter den Fenstern. Er pfiff. Chojnicki
erschien am Fenster, nickte und kam heraus.
»Es ist endlich soweit!« sagte Chojnicki. »Der Krieg ist da. Wir haben ihn
lang erwartet. Dennoch wird er uns überraschen. Es ist, scheint es, einem
Trotta nicht beschieden, lange in Freiheit zu leben. Meine Uniform ist bereit.
In einer Woche, denke ich, oder in zwei werden wir einrücken.«
Es schien Trotta, als wäre die Natur niemals so friedlich gewesen wie in
dieser Stunde. Man konnte schon mit freiem Aug’ in die Sonne blicken, sie
sank, in sichtbarer Schnelligkeit, dem Westen entgegen. Sie zu empfangen,
kam ein heftiger Wind, kräuselte die weißen Wölkchen am Himmel, wellte
die Weizen- und Kornähren auf der Erde und streichelte die roten Gesichter
des Mohns. Ein blauer Schatten schwebte über die grünen Wiesen. Im Osten
versank das Wäldchen in schwärzlichem Violett. Das kleine, weiße Haus
Stepaniuks, in dem Trotta wohnte, leuchtete am Rande des Wäldchens, in den
Fenstern brannte das schmelzende Licht der Sonne. Die Grillen zirpten
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Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik