Page - 282 - in Radetzkymarsch
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zusammenfanden, Kuriere hin und her galoppierten, die Einwohner der
kleinen Städtchen in endlosen Scharen nach dem Westen flüchteten,
umflattert vom weißen Schrecken, beladen mit weißen und roten Bettpolstern,
grauen Säcken, braunen Möbelstücken und blauen Petroleumlampen, knallten
von den Kirchplätzen der Weiler und Dörfer die Schüsse der hastigen
Vollstrecker hastiger Urteile, und der düstere Trommelwirbel begleitete die
eintönigen Urteilssprüche der Auditoren, und die Weiber der Ermordeten
lagen kreischend um Gnade vor den kotbedeckten Stiefeln der Offiziere, und
loderndes rotes und silbernes Feuer schlug aus Hütten und Scheunen, Ställen
und Schobern. Der Krieg der österreichischen Armee begann mit
Militärgerichten. Tagelang hingen die echten und die vermeintlichen Verräter
an den Bäumen auf den Kirchplätzen, zur Abschreckung der Lebendigen.
Aber weit und breit waren die Lebenden geflohen. Rings um die hängenden
Leichen an den Bäumen brannte es, und schon begann das Laub zu knistern,
und das Feuer war stärker als der ständige, leise rieselnde, graue Landregen,
der den blutigen Herbst einleitete. Die alte Rinde der uralten Bäume verkohlte
langsam, und schwelende, winzige, silberne Funken krochen zwischen den
Rillen empor, feurige Würmer, erfaßten die Blätter, das grüne Blatt rollte sich
zusammen und wurde rot, dann schwarz, dann grau; die Stricke lösten sich,
und die Leichen fielen zu Boden, die Gesichter verkohlt und die Körper noch
unversehrt.
Eines Tages machten sie Rast im Dorfe Krutyny. Sie kamen am
Nachmittag, sie sollten am nächsten Morgen, noch vor Sonnenaufgang,
weiter nach Westen. An diesem Tage hatte der Landregen aufgehört, und die
Sonne eines späten Septembertages spann ein gütiges, silbernes Licht über die
weiten Felder, auf denen das Getreide noch stand, das lebendige Brot, das
nicht mehr gegessen werden sollte. Der Altweibersommer zog langsam durch
die Luft. Sogar die Raben und Krähen verhielten sich still, getäuscht von dem
flüchtigen Frieden dieses Tages und also ohne Hoffnung auf das erwartete
Aas. Man war seit acht Tagen nicht aus den Kleidern gekommen. Die Stiefel
hatten sich mit Wasser vollgesogen, die Füße waren geschwollen, die Knie
steif, die Waden schmerzten, die Rücken konnten sich nicht mehr biegen.
Man war in den Hütten untergebracht, versuchte, aus den Koffern trockene
Kleidungsstücke zu holen und sich an den spärlichen Brunnen zu waschen. In
der Nacht, sie war klar und still, und nur die vergessenen und verlassenen
Hunde in einzelnen Gehöften heulten vor Hunger und Angst, konnte der
Leutnant nicht schlafen. Und er verließ die Hütte, in der er einquartiert war.
Er ging die langgestreckte Dorfstraße entlang, in die Richtung des
Kirchturms, der sich mit seinem griechischen doppelten Kreuz gegen die
Sterne erhob. Die Kirche mit schindelgedecktem Dach stand in der Mitte des
kleinen Friedhofs, umgeben von schiefen, hölzernen Kreuzen, die im
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Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik