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Radetzkymarsch
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zusammenfanden, Kuriere hin und her galoppierten, die Einwohner der kleinen Städtchen in endlosen Scharen nach dem Westen flüchteten, umflattert vom weißen Schrecken, beladen mit weißen und roten Bettpolstern, grauen Säcken, braunen Möbelstücken und blauen Petroleumlampen, knallten von den Kirchplätzen der Weiler und Dörfer die Schüsse der hastigen Vollstrecker hastiger Urteile, und der düstere Trommelwirbel begleitete die eintönigen Urteilssprüche der Auditoren, und die Weiber der Ermordeten lagen kreischend um Gnade vor den kotbedeckten Stiefeln der Offiziere, und loderndes rotes und silbernes Feuer schlug aus Hütten und Scheunen, Ställen und Schobern. Der Krieg der österreichischen Armee begann mit Militärgerichten. Tagelang hingen die echten und die vermeintlichen Verräter an den Bäumen auf den Kirchplätzen, zur Abschreckung der Lebendigen. Aber weit und breit waren die Lebenden geflohen. Rings um die hängenden Leichen an den Bäumen brannte es, und schon begann das Laub zu knistern, und das Feuer war stärker als der ständige, leise rieselnde, graue Landregen, der den blutigen Herbst einleitete. Die alte Rinde der uralten Bäume verkohlte langsam, und schwelende, winzige, silberne Funken krochen zwischen den Rillen empor, feurige Würmer, erfaßten die Blätter, das grüne Blatt rollte sich zusammen und wurde rot, dann schwarz, dann grau; die Stricke lösten sich, und die Leichen fielen zu Boden, die Gesichter verkohlt und die Körper noch unversehrt. Eines Tages machten sie Rast im Dorfe Krutyny. Sie kamen am Nachmittag, sie sollten am nächsten Morgen, noch vor Sonnenaufgang, weiter nach Westen. An diesem Tage hatte der Landregen aufgehört, und die Sonne eines späten Septembertages spann ein gütiges, silbernes Licht über die weiten Felder, auf denen das Getreide noch stand, das lebendige Brot, das nicht mehr gegessen werden sollte. Der Altweibersommer zog langsam durch die Luft. Sogar die Raben und Krähen verhielten sich still, getäuscht von dem flüchtigen Frieden dieses Tages und also ohne Hoffnung auf das erwartete Aas. Man war seit acht Tagen nicht aus den Kleidern gekommen. Die Stiefel hatten sich mit Wasser vollgesogen, die Füße waren geschwollen, die Knie steif, die Waden schmerzten, die Rücken konnten sich nicht mehr biegen. Man war in den Hütten untergebracht, versuchte, aus den Koffern trockene Kleidungsstücke zu holen und sich an den spärlichen Brunnen zu waschen. In der Nacht, sie war klar und still, und nur die vergessenen und verlassenen Hunde in einzelnen Gehöften heulten vor Hunger und Angst, konnte der Leutnant nicht schlafen. Und er verließ die Hütte, in der er einquartiert war. Er ging die langgestreckte Dorfstraße entlang, in die Richtung des Kirchturms, der sich mit seinem griechischen doppelten Kreuz gegen die Sterne erhob. Die Kirche mit schindelgedecktem Dach stand in der Mitte des kleinen Friedhofs, umgeben von schiefen, hölzernen Kreuzen, die im 282
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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