Page - 283 - in Radetzkymarsch
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nĂ€chtlichen Licht zu tĂ€nzeln schienen. Vor dem groĂen, grauen,
weitgeöffneten Tor des Friedhofs hingen drei Leichen, in der Mitte ein
bÀrtiger Priester, zu beiden Seiten zwei junge Bauern in sandgelben Joppen,
grobgeflochtene Bastschuhe an den reglosen FĂŒĂen. Die schwarze Kutte des
Priesters, der in der Mitte hing, reichte bis zu seinen Schuhen. Und manchmal
bewegte der Nachtwind die FĂŒĂe des Priesters so, daĂ sie wie stumme
Klöppel einer taubstummen Glocke an das Rund des Priestergewandes
schlugen und, ohne einen Klang hervorzurufen, dennoch zu lÀuten schienen.
Leutnant Trotta ging nÀher an die Gehenkten heran. Er sah in ihre
aufgedunsenen Gesichter. Und er glaubte in den dreien den und jenen seiner
Soldaten zu erkennen. Das waren die Gesichter des Volkes, mit dem er jeden
Tag exerziert hatte. Der schwarze, gespreizte FĂ€cherbart des Priesters
erinnerte ihn an den Bart Onufrijs. So hatte Onufrij zuletzt ausgesehen. Und
wer weiĂ, vielleicht war Onufrij der Bruder dieses aufgehĂ€ngten Priesters.
Leutnant Trotta sah sich um. Er lauschte. Es war kein menschlicher Laut zu
hören. Im Glockenturm der Kirche rauschten die FledermÀuse. In den
verlassenen Gehöften bellten die verlassenen Hunde. Da zog der Leutnant
seinen SĂ€bel und schnitt die drei Gehenkten ab, einen nach dem andern. Dann
nahm er eine Leiche nach der andern auf die Schulter und trug sie alle, eine
nach der andern, in den Kirchhof. Dann begann er, mit dem blanken SĂ€bel die
Erde auf den Wegen zwischen den GrÀbern aufzulockern, so lange, bis er
Platz fĂŒr drei Leichen gefunden zu haben glaubte. Dann legte er sie alle drei
hin, schaufelte die Erde ĂŒber sie, mit SĂ€bel und Scheide, trat noch mit den
FĂŒĂen auf der Erde herum und stampfte sie fest. Dann machte er das Zeichen
des Kreuzes. Seit der letzten Messe in der MĂ€hrisch-WeiĂkirchener
Kadettenschule hatte er nicht mehr das Kreuz geschlagen. Er wollte noch ein
Vaterunser sagen, aber seine Lippen bewegten sich nur, ohne daĂ er einen
Laut hervorbrachte. Irgendein nÀchtlicher Vogel schrie. Die FledermÀuse
rauschten. Die Hunde heulten.
Am nÀchsten Morgen, vor dem Aufgang der Sonne, marschierten sie
weiter. Die silbernen Nebel des herbstlichen Morgens verhĂŒllten die Welt.
Bald aber entstieg ihnen die Sonne, glĂŒhend wie im Hochsommer. Sie
bekamen Durst. Sie marschierten durch eine verlassene, sandige Gegend.
Manchmal schien es ihnen, als hörten sie irgendwo Wasser rauschen. Einige
Soldaten liefen in die Richtung, aus der das GerÀusch des Wassers zu
kommen schien, und kehrten sofort wieder um. Kein Bach, kein Teich, kein
Brunnen. Sie kamen durch ein paar Dörfer, aber die Brunnen waren verstopft
von Leichen Erschossener und Hingerichteter. Die Leichen hingen, manchmal
in der Mitte gefaltet, ĂŒber die hölzernen RĂ€nder der Brunnen. Die Soldaten
sahen nicht mehr in die Tiefe. Sie kehrten zurĂŒck. Man marschierte weiter.
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Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Ăsterreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik