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Radetzkymarsch
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ihn. Warmes Blut rann aus seinem Kopf auf die kühle Erde des Abhangs. Von unten her riefen die ukrainischen Bauern seines Zuges im Chor: »Gelobt sei Jesus Christus!« In Ewigkeit. Amen! wollte er sagen. Es waren die einzigen ruthenischen Worte, die er sprechen konnte. Aber seine Lippen rührten sich nicht mehr. Sein Mund blieb offen. Seine weißen Zähne starrten gegen den blauen Herbsthimmel. Seine Zunge wurde langsam blau, er fühlte seinen Körper kalt werden. Dann starb er. Das war das Ende des Leutnants Carl Joseph, Freiherrn von Trotta. So einfach und zur Behandlung in Lesebüchern für die kaiser- und königlichen österreichischen Volks- und Bürgerschulen ungeeignet war das Ende des Enkels des Helden von Solferino. Der Leutnant Trotta starb nicht mit der Waffe, sondern mit zwei Wassereimern in der Hand. Major Zoglauer schrieb an den Bezirkshauptmann. Der alte Trotta las den Brief ein paarmal und ließ die Hände sinken. Der Brief fiel ihm aus der Hand und flatterte auf den rötlichen Teppich. Herr von Trotta nahm den Zwicker nicht ab. Der Kopf zitterte, und der wacklige Zwicker flatterte mit seinen ovalen Scheibchen wie ein gläserner Schmetterling auf der Nase des Alten. Zwei schwere, kristallene Tränen tropften gleichzeitig aus den Augen Herrn von Trottas, trübten die Gläser des Zwickers und rannen weiter in den Backenbart. Der ganze Körper Herrn von Trottas blieb ruhig, nur sein Kopf wackelte von hinten nach vorn und von links nach rechts, und fortwährend flatterten die gläsernen Flügel des Zwickers. Eine Stunde oder länger saß der Bezirkshauptmann so vor dem Schreibtisch. Dann stand er auf und ging mit seinem gewöhnlichen Gang in die Wohnung. Er holte aus dem Kasten den schwarzen Anzug, die schwarze Krawatte und die Trauerschleifen aus schwarzem Krepp, die er nach dem Tode des Vaters um Hut und Arm getragen hatte. Er kleidete sich um. Er sah dabei nicht in den Spiegel. Immer noch wackelte sein Kopf. Er bemühte sich zwar, den unruhigen Schädel zu zähmen. Aber je mehr sich der Bezirkshauptmann anstrengte, desto stärker zitterte der Kopf. Der Zwicker saß immer noch auf der Nase und flatterte. Endlich gab der Bezirkshauptmann alle Bemühungen auf und ließ den Schädel wackeln. Er ging, im schwarzen Anzug, das schwarze Trauerband um den Ärmel, zu Fräulein Hirschwitz ins Zimmer, blieb an der Tür stehen und sagte: »Mein Sohn ist tot, Gnädigste!« Er schloß schnell die Tür, ging ins Amt, von einer Kanzlei zur andern, steckte nur den wackelnden Kopf durch die Türen und verkündete überall: »Mein Sohn ist tot, Herr Soundso! Mein Sohn ist tot, Herr Soundso!« Dann nahm er Hut und Stock und ging auf die Straße. Alle Leute grüßten ihn und betrachteten verwundert seinen wackelnden Kopf. Den und jenen hielt der Bezirkshauptmann an und sagte: »Mein Sohn ist tot!« Und er wartete nicht die Beileidssprüche der Bestürzten ab, sondern ging weiter, zu 285
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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