Page - 293 - in Radetzkymarsch
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kamen. Der Park füllte sich. Der Regen hörte nicht auf. Die Wartenden lösten
sich ab, sie gingen, sie kamen. Herr von Trotta blieb. Die Nacht brach ein, die
Stufen waren leer, die Leute gingen schlafen. Herr von Trotta drückte sich
gegen das Tor. Er hörte Wagen vorfahren, manchmal klinkte jemand über
seinem Kopf ein Fenster auf. Stimmen riefen. Man öffnete das Tor, man
schloß es wieder. Man sah ihn nicht. Der Regen rieselte, unermüdlich, sacht,
die Bäume raschelten und rauschten.
Endlich begannen die Glocken zu dröhnen. Der Bezirkshauptmann
entfernte sich. Er ging die flachen Stufen hinunter, die Allee entlang bis vor
das eiserne Gitter. Es war offen in dieser Nacht. Er ging den ganzen langen
Weg zur Stadt, barhäuptig, den Hut in der Hand, er begegnete niemandem. Er
ging sehr langsam, wie hinter einem Leichenwagen. Als der Morgen graute,
erreichte er das Hotel.
Er fuhr nach Hause. Es regnete auch in der Bezirksstadt W. Herr von Trotta
ließ Fräulein Hirschwitz kommen und sagte: »Ich geh’ zu Bett, Gnädigste! Ich
bin müde!« Und er legte sich, zum erstenmal in seinem Leben, bei Tag ins
Bett.
Er konnte nicht einschlafen. Er ließ den Doktor Skowronnek kommen.
»Lieber Doktor Skowronnek«, sagte er, »würden Sie mir den Kanarienvogel
holen lassen?« Man brachte den Kanarienvogel aus dem Häuschen des alten
Jacques. »Geben Sie ihm ein Stück Zucker!« sagte der Bezirkshauptmann.
Und der Kanarienvogel bekam ein Stück Zucker.
»Dieses liebe Vieh!« sagte der Bezirkshauptmann.
Skowronnek wiederholte: »Ein liebes Vieh!«
»Es überlebt uns alle!« sagte Trotta. »Gott sei Dank!«
Dann sagte der Bezirkshauptmann: »Bestellen Sie den Geistlichen!
Kommen Sie aber wieder!«
Doktor Skowronnek wartete den Geistlichen ab. Dann kam er wieder. Der
alte Herr von Trotta lag still in den Kissen. Er hielt die Augen halb
geschlossen. Er sagte: »Ihre Hand, lieber Freund! Wollen Sie mir das Bild
bringen?«
Doktor Skowronnek suchte das Herrenzimmer auf, stieg auf einen Stuhl
und holte das Bildnis des Helden von Solferino vom Haken. Als er
zurückkam, das Bild in beiden Händen, war Herr von Trotta nicht mehr
imstande, es zu sehen. Der Regen trommelte sacht an die Scheibe.
Doktor Skowronnek wartete, das Porträt des Helden von Solferino auf den
Knien. Nach einigen Minuten erhob er sich, nahm die Hand Herrn von
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Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik