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Das Spinnennetz
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16 Kapitel Sie saßen, drei Männer, im Café auf dem Potsdamer Platz. Zwischen ihnen flogen gleichgültige Worte, Mißtrauen würgte in ihren Hälsen, Angst lähmte ihre Zungen. An einem Nebentisch saß Benjamin Lenz. Theodor bereute. Es war zu spät. Er hatte nicht geahnt, wie schwer es ihm kommen würde. Niemand half ihm. Er sollte anfangen. Es war, als weidete man sich an seiner Qual. Und es ist genauso wie einmal – lang war es her – in der Schule, wenn er anderes sagen soll als auswendig Gelerntes. Es war Lärm im Café, an den Nebentischen summte das Gespräch der Gäste, Tassen klirrten, und dennoch schlug ihm eine Stille entgegen, als beherrschte das Warten alle Menschen. Erst als sie durch die Straßen gingen, gewann er sich wieder. Er ging zwischen zwei kleinen schwarzen Männern, die sich jedes Wort einprägten. Er verstellte sich nicht. Wozu brauchte er Verstellung? Er konnte immer ableugnen; aufrichtiges Geständnis für erheucheltes ausgeben. Seine wahren Gründe klangen überzeugend. Er erzählte von seiner Unzufriedenheit; schilderte das Mißtrauen, das ihn umgab; gestand, daß ihn Ehrgeiz trieb. Er lüftete später, in einem Büro, Zipfel von Geheimnissen. Es war spät, als er schied, er fuhr nach Potsdam, las ein Abendblatt. Als er aufblickte, sah er Benjamin Lenz. Er saß Theodor gegenüber. Sie gingen durch den Potsdamer Abend, durch alte Gäßchen, die ganz unwahrscheinlich aussahen, und Benjamin führte, und Theodor wußte nicht, daß er geführt wurde. Vom 2. November sprach Benjamin Lenz, er glaubte nicht an Revolutionen. Er glaubte an ein kleines Blutbad, kaum der Sorgen wert, in Deutschland nicht selten und eigentlich jede Woche wahrscheinlich. Vielleicht sprach er diesmal aufrichtig, Benjamin Lenz? Es war ein wehmütiger Abend, mit violetten und gelb schimmernden Wolken, mit einem zahmen, behutsamen Abendwind, und Theodor ging, durch raschelndes Laub, die Straße, die zum Bahnhof führte, entlang und fühlte eine Rührung, wie damals in den Feldern des Herrn v. Köckwitz. Und eine Wärme kam von Benjamin Lenz, so daß Theodor zu sprechen 54
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Das Spinnennetz
Title
Das Spinnennetz
Author
Joseph Roth
Date
1923
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
93
Keywords
Roman, Geschichte
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 10
  3. Kapitel 3 14
  4. Kapitel 4 17
  5. Kapitel 5 21
  6. Kapitel 6 24
  7. Kapitel 7 30
  8. Kapitel 8 32
  9. Kapitel 9 36
  10. Kapitel 10 39
  11. Kapitel 11 42
  12. Kapitel 12 44
  13. Kapitel 13 47
  14. Kapitel 14 50
  15. Kapitel 15 52
  16. Kapitel 16 54
  17. Kapitel 17 57
  18. Kapitel 18 59
  19. Kapitel 19 61
  20. Kapitel 20 64
  21. Kapitel 21 67
  22. Kapitel 22 69
  23. Kapitel 23 73
  24. Kapitel 24 76
  25. Kapitel 25 79
  26. Kapitel 26 81
  27. Kapitel 27 83
  28. Kapitel 28 86
  29. Kapitel 29 89
  30. Kapitel 30 92
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