Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Das Spinnennetz
Page - 86 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 86 - in Das Spinnennetz

Image of the Page - 86 -

Image of the Page - 86 - in Das Spinnennetz

Text of the Page - 86 -

28 Kapitel Zu Hause wurde er sich seiner Bedeutung bewußt. Hier geschah, was er befahl, hier geschah auch, was er im stillen nur wünschte. Er aß immer Speisen, die er ersehnte, ohne von ihnen zu sprechen. Er fand seine Kleider gebürstet, seine Hose gebügelt, alle Knöpfe an den Hemden; kein Papier vermißte er, seine Waffen lagen geordnet – er liebte die Waffen –, und seine Pistole putzte Elsa. Auch sie liebte Schießwaffen. Er war nirgends so mächtig wie zu Hause. Fiel ihm die Lust an zu herrschen – er konnte es. Ergriff ihn Verlangen nach Wärme – sie wurde ihm. Hier zweifelte niemand an seiner Vollkommenheit. Er klagte am Abend über allzuviel Arbeit. Elsa sagte: »Du bist überlastet.« Er hob seine Verdienste hervor. »Du hast ein gutes Auge«, sagte Elsa, und er hielt sich für einen Menschenkenner. »Ich liebe den Lenz«, sagte Theodor. »Er ist ein treuer Freund«, erwiderte Elsa. Und er glaubte an Benjamins Treue. Er hörte das Lied vom schwarzbraunen Mägdlein gern, Elsa spielte es, unaufgefordert, vor dem Schlafengehen. Sie liebte weder das Lied noch Benjamin Lenz, noch glaubte sie an Theodors Vollkommenheit. Aber es war nötig, in kleinen Dingen nachzugeben, um in großen recht zu behalten. Eine v. Schlieffen heiratete einen Bürgerlichen nur, weil sie hofft, daß er es zu den höchsten Stellen im Staate bringen kann. Dazu gehörte vor allem Beredsamkeit. Und sie brachte Theodor zum Sprechen. Er vergaß fast seine Frau. Er fing leise an und steigerte die Kraft seiner Stimme. Er sprach nicht in seinem Zimmer. Er sprach im großen Saale. Von tausend Menschen schlug ihm achtungsvolles Lauschen entgegen, wie etwas Körperliches. Er sprach gut, wenn er eifrig sprach. Ein fremdes Licht entzündete sich in seinen Augen. Er glaubte an seine Worte. Seine Überzeugung war die Folge seiner eigenen Rede und wuchs mit dem Schall der Laute. Seine Stimme überzeugte ihn. Er sprach von der Notwendigkeit, das Vaterland zu retten, und er gewann den Glauben seiner Jugend wieder. Alle Erfahrungen waren ausgelöscht. Er haßte ehrlich den inneren Feind, den Juden, den Pazifisten, den Plebejer. Er haßte sie wie damals, als er den Prinzen und Trebitsch, den Detektiv Klitsche und den Major Seyfarth noch nicht gekannt hatte. Auch Elsa haßte die inneren Feinde. Elsa war national. Sie sprach von dem schlechten Duft der Juden. 86
back to the  book Das Spinnennetz"
Das Spinnennetz
Title
Das Spinnennetz
Author
Joseph Roth
Date
1923
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
93
Keywords
Roman, Geschichte
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 10
  3. Kapitel 3 14
  4. Kapitel 4 17
  5. Kapitel 5 21
  6. Kapitel 6 24
  7. Kapitel 7 30
  8. Kapitel 8 32
  9. Kapitel 9 36
  10. Kapitel 10 39
  11. Kapitel 11 42
  12. Kapitel 12 44
  13. Kapitel 13 47
  14. Kapitel 14 50
  15. Kapitel 15 52
  16. Kapitel 16 54
  17. Kapitel 17 57
  18. Kapitel 18 59
  19. Kapitel 19 61
  20. Kapitel 20 64
  21. Kapitel 21 67
  22. Kapitel 22 69
  23. Kapitel 23 73
  24. Kapitel 24 76
  25. Kapitel 25 79
  26. Kapitel 26 81
  27. Kapitel 27 83
  28. Kapitel 28 86
  29. Kapitel 29 89
  30. Kapitel 30 92
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Das Spinnennetz